Mixed Use

Das Parkhaus als Büro und Fußballplatz: Die Mischung macht's aus

„Seehub“ in Wien Aspern: Neben Wohnungen und Büros werden auf dem Dach fünf Fußballfelder untergebracht.
„Seehub“ in Wien Aspern: Neben Wohnungen und Büros werden auf dem Dach fünf Fußballfelder untergebracht.(c) List Group/René Reiter
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Ein Haus für das Wohnen, eines für das Arbeiten: Diese strikte Trennung ist ein Auslaufmodell. Damit Mixed-Use-Immobilien funktionieren, braucht es aber eine durchdachte Planung.

Fußballfans auf Wohnungssuche müssen zum Auftakt nach Aspern: In der Seestadt gibt es nicht nur die meisten leistbaren Wohnungen der Hauptstadt – mit direkter U-Bahn-Anbindung –, sondern auch etwas Besonderes direkt vor Ort. In Aspern stellt der Immobilienentwickler List Group mit dem „Seehub“ gerade eine Immobilie fertig, welche die Nutzungsarten Parken und Büros erstmals mit Sport ergänzt: Auf dem Dach gibt es fünf Fußballfelder in unterschiedlichen Größen – und im Untergeschoß für das Aufwärmen einen Trampolinpart mit 3000 Quadratmetern. Im Erdgeschoß sind zudem ein Fahrradshop mit Verleih und Werkstätte sowie der Mobility Point der Seestadt Aspern geplant. Selbst das Parkhaus ist nicht nur für die Büros gedacht. Es ist für mehr als 400 Pkw ausgelegt und verfügt über mehrere Ladestationen für E-Autos. Das Objekt soll beweisen: Immobilien mit gemischten Nutzungen sind die beste Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen und so einen Stadtteil mit Leben zu erfüllen.

Planungsphase entscheidend

Thomas Kronsteiner, Gründer und Eigentümer des Immobilienentwicklers Krocon, hat seine Karriere als Profi-Fußballer begonnen. Krocon errichtet aber keine Fußballplätze – noch, denn das Geschäftsfeld Mixed Use ist einer der Schwerpunkte des Unternehmens. Kronsteiner hat viel mit Problem-Immobilien zu tun: Häusern mit viel Leerstand in Gemeinden, die unter Abwanderung leiden, oder heruntergekommenen Fachmarktzentren am Stadtrand.

»Dort, wo Bauträger Probleme orten, sehen wir eine große Chance«

Thomas Kronsteiner, Krocon

Daher bietet er mit der Sparte Krocon Mixed Use Dienstleistungen für jene Einzelhandelsflächen an, die im Rahmen gemischt genutzter Objekte mit Wohnungen und Büroflächen entstehen – bis hin zur Beteiligung am Gesamtprojekt oder dem Erwerb der betroffenen Flächen. „Es ist eine Tatsache, dass die für Wohn- oder Büronutzung oft schlecht oder gar nicht geeigneten Flächen teilweise wirkliche Sorgenkinder der Bauträger und Immobilieneigentümer sind“, sagt Kronsteiner. Doch die Mischung mehrerer unterschiedlicher Nutzungsarten muss nicht unbedingt problematisch sein: „Als Einzelhandelsspezialisten sehen wir dort, wo Bauträger vor allem Probleme orten, zuerst einmal eine große Chance.“

Planungsphase zentral

In Wien sind mittlerweile bereits in der Flächenwidmung eines Grundstücks oft gemischte Nutzungen verpflichtend vorgesehen. Damit ein solches „vorgeschriebenes“ Mixed-Use-Projekt zum Erfolg wird, ist schon in der Planungsphase viel Hirnschmalz gefragt, meint Peter Wiesinger, einer der Gründer des Immobilienentwicklers Avoris. „Um lebenswertes Wohnen zu ermöglichen, ist es das Wichtigste, immer das Grätzel im Blick zu behalten“, betont der Experte. So ist im Projekt „G'mischter Block“ von Avoris das Konzept bereits im Namen enthalten: Es befindet sich unweit des neu entwickelten Areals rund um den Wiener Hauptbahnhof. Aktuell befindet sich das Grundstück noch in Umwidmung, die daraus resultierende Flächenwidmung bildet die Basis für die Planung. Das Konzept umfasst die Errichtung eines mehrgeschoßigen Neubaus mit einer zeitgemäßen Raumaufteilung in den Wohnungen, privaten Freiflächen, gemeinschaftlich genutzten Begegnungszonen und einen Fokus auf Ökologie.

»Um lebenswertes Wohnen zu ermöglichen, ist es das Wichtigste, immer das Grätzel im Blick zu behalten«

Peter Wiesinger, Avoris

„Neben ansprechenden Wohnungen liegt Avoris die Mischnutzung besonders am Herzen“, sagt Wiesinger. „So sind Büros vorgesehen, aber auch ein Kindergarten sowie ein besonderes Konzept, das den Vertrieb von regionalen Produkten fördert und die Nachbarschaft zu Veranstaltungen zusammenkommen lässt.“

Diversität durch Größe

Die Projekte von Krocon oder Avoris befinden sich meistens im einstelligen Millionenbereich. Mehrere Nummern größer geht es bei 6B47 zu – etwa bei einem Projekt in einer der beliebtesten Wohngegenden Düsseldorfs, das Büro, Gastronomie und Handel unter einem Dach vereint. In Wien hat das Unternehmen ebenfalls Mixed-Use-Projekte in der Entwicklung. Das Flaggschiff ist dabei das Althan-Quartier rund um den Franz-Josefs-Bahnhof in Wien, in dem von Hotel über Gastronomie bis zu Serviced Apartments praktisch jede Immobiliennutzungsart einen Platz bekommt. Denn mit Wohnen allein ist – wie es im Fußball heißt – kein Leiberl mehr zu reißen: „In Wien kommt es bereits zu einer Trendwende: Aufgrund des großen Fertigstellungsvolumens im Neubausegment wird es erstmals ein Überangebot auf dem Wohnungsmarkt geben“, meint Sebastian Nitsch, Vorstand von 6B47. „Es wird sich erst zeigen, welche Auswirkungen in den Folgejahren die Novellierung der Bauordnung und zahlreiche andere Vorgaben auf das Wohnungsangebot haben und ob es eventuell dadurch zu einer Trendumkehr bei den Fertigstellungen kommt.“ Wer in einem schwierigen Umfeld die Nutzungsarten mischt und auf Diversifikation setzt, hat die besten Karten – ganz wie beim Investment in Aktien.

Goodies für Bewohner

Immobilienentwickler wie die List Group, 6B47 oder Invester United treiben Mixed-Use-Projekte voran, bei denen große Wohnhausanlagen mit zusätzlichen Nutzungsarten aufwarten. So werden im neuesten Invester-Großprojekt „Lavater 2“ in Wien-Donaustadt Wohnen und Einzelhandel kombiniert. Bei anderen Projekten gibt es Apotheken oder Ordinationen im Haus, zuweilen auch Schule und Kindergarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2019)

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