Reisen unter 42 Segeln: Die Royal Clipper kreuzt auch im westlichen Mittelmeer.
Segeln im Mittelmeer

Eine Kreuzfahrt für Verweigerer

Wer die üblichen Ozeanriesen ablehnt, könnte an der Royal Clipper Gefallen finden: Der historisch anmutende Fünfmaster ist das größte Segelschiff der Welt – zählt man die Jacht eines superreichen Russen nicht mit.

Der erste Eindruck: Das Zimmer wackelt. Nicht so schlimm wie befürchtet, aber doch merklich, und das liegt nicht nur am Cocktail, den man gleich einmal in die Hand gedrückt bekommen hat. Das Gute ist, dass man keine Zeit hat, weiter darüber nachzudenken, denn: Die erste Seenotübung wartet. Eine zweite soll morgen folgen – Pflicht, seit die Costa Concordia gesunken ist.

Wobei, um das hier gleich einmal klarzustellen: So eine Dimension ist die Royal Clipper nicht – auch wenn sie groß ist: Genau genommen ist sie mit ihren 133,7 Metern Länge das größte Segelschiff der Welt. Gut, ganz genau genommen überragt eine Superjacht sie seit 2017 um ein Eitzel. Aber was zählt schon das moderne Statussymbol eines russischen Milliardärs? Mit ihren 42 Segeln und Platz für 200 Passagiere ist die Royal Clipper jedenfalls ein Nachbau der 1902 gebauten Preußen, selbst für Kreuzfahrtskeptiker ein Grund, dem Thema eine Chance zu geben.

Bei Landgängen kann man dann auf Korsika E-Bike fahren.
Bei Landgängen kann man dann auf Korsika E-Bike fahren.Teresa Schaur-Wünsch

Drill mit Monica

Doch zuerst muss man durch den Drill. Cruise-Chefin Monica aus Brasilien und Hotelmanagerin Anita aus Bayern verstehen wenig Spaß, wenn es darum geht, die neuen Passagiere in ihren Schwimmwesten in zwei Hälften zu dividieren. Ungerade Zimmernummern nach Steuerbord, gerade nach Backbord. Ziemlich kompliziert, bis man merkt, dass man nur auf der eigenen Schiffseite zu bleiben braucht. Dann gibt es das erste Abendessen – und das erste Sailaway: Zu den Klängen von „Conquest of Paradise“ werden die Segel gesetzt. Seeleute lassen Seile durch die Hände laufen, Winden schnurren, langsam wandern die riesigen weißen Flügel nach oben. Der Himmel ist kobaltblau, an der Küste funkeln die Lichter von Cannes. Kitschig? Ja. Schön? Sehr.

Am nächsten Morgen wacht man in Portofino auf, und spätestens ab L'?le-Rousse ist man im Rhythmus. Nachdem das Schiff Anker geworfen und die Hafenformalitäten erledigt hat, wird ein Tenderboot zu Wasser gelassen, das alle halben Stunden fährt, so kann man jederzeit an Land gehen oder zurück an Bord.

Nordkorsika wird von den großen Kreuzfahrtschiffen gar nicht angefahren. Es ist Frühsommer, und die „Insel der Schönheit“ ist ganz besonders schön. Am schönsten erkundet es sich zu Fuß oder mit dem E-Bike entlang der Steilküste durch die duftend blühende Macchia, was durchaus gefährlich ist – weniger wegen der flotten Räder, sondern weil man geneigt ist, mehr auf die Aussicht denn auf die Straße zu achten. Und das nicht nur, wenn in Calvi ein Flugzeug der Fremdenlegion gerade wieder ein paar Fallschirmspringer über dem Meer abwirft.

Man kann natürlich auch Napoleon nachspüren, der hier vor 250 Jahren geboren wurde, eine der korsischen Bruderschaftskapellen erkunden, sich durch Olivenöle kosten, die von kleinen Betrieben aus alten Sorten wie Germaine oder der ganz ursprünglichen, bitter-fruchtigen Sabine gepresst werden; oder Kekse probieren, die aus den gleichen Kastanien gemacht werden, die auch die Schweine für die berühmte korsische Charcuterie ernähren. Und überall – in den Schönheitsprodukten wie zwischen den Fingern der Olivenbäuerin und des E-Bike-Führers – begegnen einem die gleichen Pflanzen wieder: Myrte und Cistrose, Immortelle, Baumerdbeeren und Ginster.

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