Die Ich-Pleite

"Lass das Messer stecken, es könnte einer verrecken!"

(c) Carolina Frank
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In Wien übernehmen die Wiener Linien Elternfunktion.

Früher haben Eltern ihren Kindern Benehmen beigebracht. Aber weil es einfacher war zu warten, bis das Kind von selbst den Wunsch entwickelt, „Bitte“ und „Danke“ zu sagen oder fremde Leute nicht anzuspucken, haben es viele wieder gelassen. Und vertrauen jetzt darauf, dass sich das Benehmen, wie der Preis in der freien Marktwirtschaft, von selbst regelt. Da das aber offensichtlich nicht hundertprozentig funktioniert, muss manchmal die öffentliche Hand einspringen. In Wien übernehmen jetzt die Wiener Linien Elternfunktion und pädagogische Aufgaben. Erst letztes Jahr haben sie das Essen in öffentlichen Verkehrsmitteln verboten.

Wie früher unsere Eltern hatten sie es zuerst auf die sanfte Tour mit netten Plakatbotschaften versucht – so in etwa: Bitte in der Bim nicht den anderen Leuten nach Zwiebel und Knoblauch stinkende Speisen unter die Nase halten, nicht das Ketchup auf den Nachbarsitz klatschen, nicht das schmutzige Jausensackl auf den Boden werfen, nicht schmatzen, rülpsen und sich übergeben. Aber irgendwann haben es die Wiener Linien aufgegeben und das Essen ganz verboten.

Wer zuwiderhandelt, zahlt. Jetzt ist der nächste Schritt fällig: „Sei ein Ehrenmann, halt deine Beine zamm!“ empfehlen die Wiener Linien ihren Fahrgästen zuerst noch im Guten. Der Grund: Es häufen sich die Beschwerden, dass viele Fahrgäste mit einem Sitzplatz nicht genug haben. Im nächsten Jahr werden wir vielleicht Botschaften lesen, die sich ungefähr so anhören könnten: „Sei ein Humanist, der nicht auf den Boden pisst.“ „Sei ein Kavalier, daschiaß kan Passagier.“ „Lass das Messer stecken, es könnte einer verrecken!“ „Du sollst deinen Bim-Fahrer lieben, nicht durchsieben!“ „Quäle keinen Passagier im Scherz, denn er fühlt wie du den Schmerz.“

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