Gesetzesvorlage

Wo Lehrer für Sexualkunde-Unterricht in Haft sollen

Mitte Oktober protestierten zahlreiche Menschen vor dem polnischen Parlament in Warschau gegen das Gesetz.
Mitte Oktober protestierten zahlreiche Menschen vor dem polnischen Parlament in Warschau gegen das Gesetz.REUTERS
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Die rechtskonservative Regierung in Polen stellt "Propagierung" von Sex von Minderjährigen unter Strafe - mit dem Argument der „Vorbeugung von Pädophilie“, was das EU-Parlament heftig kritisiert.

Steht Sexualkunde in polnischen Schulen vor dem Aus? Ein Gesetzesentwurf der rechtskonservativen Regierung würde es Lehrern künftig jedenfalls erschweren, Sex, Geschlechterrollen oder alternative Lebensweisen im Unterricht zu thematisieren. Denn das Propagieren von Gechlechtsverkehr von Minderjährigen würde mit Haftstrafen geahndet, wenn das Parlament das Gesetz durchwinkt.

Und das sorgt nicht nur viele Bürger im immer mehr gespaltenen Polen, sondern auch das EU-Parlament, das den Gesetzesentwurf mit strengen Vorgaben für den Sexualkundeunterricht scharf kritisiert. Das Gesetz ziele darauf ab, sexuelle Aufklärung für Minderjährige "unter dem Deckmantel der Vorbeugung von Pädophilie" zu kriminalisieren, heißt es in einem Entschließungstext, der am Donnerstag vom Parlamentsplenum in Brüssel mit breiter Mehrheit angenommen wurde.

Die Abgeordneten befürchten demnach zudem eine weitere Stigmatisierung von homo- und transsexuellen Menschen in Polen. Der umstrittene Gesetzestext sieht konkret vor, Menschen, die "Geschlechtsverkehr von Minderjährigen öffentlich propagieren oder gutheißen, mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren" zu belegen. Wer dazu seine berufliche Position nutzt, etwa in Schulen, soll noch härter bestraft werden können. Als Grund angeführt wird vor allem nötiger Rechtsschutz für Kinder und Jugendliche "vor sexueller Verderbtheit und moralischem Verfall".

Erzkatholische Lobby

Das erzkatholische Bündnis "Stop Pädophilie" hatte den Gesetzesentwurf in Polen mittels einer Bürgerinitiative eingebracht. Das von der rechtsnationalen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dominierte Parlament debattierte im Oktober erstmals über den Text. Unter Federführung der polnischen Oppositionsparteien setzten Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne und Linke das Thema daraufhin gemeinsam auf die Tagesordnung des EU-Parlaments.

Der Abstimmung über die Entschließung war bereits vergangenen Monat eine emotionale Debatte der EU-Abgeordneten vorausgegangen. PiS-Politiker verwiesen dabei auf das nationale Selbstbestimmungsrecht in Bildungsfragen und warfen insbesondere Grünen und Sozialdemokraten vor, eine Pädophilen-freundliche Ideologie zu verteidigen. Dieser Diskurs wurde insbesondere von der rechtspopulistischen Fraktion Identität und Demokratie (ID), der auch die FPÖ angehört, aufgenommen.

Die polnische Konservative Elżbieta Łukacijewska beklagte hingegen, dass die Regierung ihres Landes rationalen und wissenschaftlichen Argumenten gegenüber taub sei, wenn sie glaube, dass ein Mangel an sexueller Aufklärung vor Pädophilie schütze.

Das oberste Gericht Polens könnte das Gesetz Verhindern. In seiner jetzigen Form sei es nicht dem Unterrichtsauftrag der Schulen vereinbar. Ein Verbot von Sexualkunde könnte gegen das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf Bildung und Gesundheitsversorgung verstoßen. Die polnische Regierung zeigte sich von diesem Urteil allerdings wenig beeindruckt.

(APA/AFP)

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