Symphonie Nr. 4 ("Die Romantische")

CD-Empfehlungen für Anton Bruckners Vierte.

Pathos, Weihestimmung, große theatralische Gesten - das ergibt, in Mengengenommen, einen für viele schwer verdaulichen Cocktail. Nicht zuletzt die traditionelle Bruckner-Interpretation leidet unter einer Überladenheit, die sich vor allem dann einstellt, wenn Dirigenten und Musiker die Sache mit der Einstellung: "Wir wissen ja, wie das geht" anpacken. Wenn die Symphonie dann vom Komponisten selbst noch „Die Romantische“ genannt wird, ist der langmächtigen Rhetorik und des mystischen Raunens kein Ende.

Die Vierte, der Bruckner selbst erstaunliche programmatische Hinweise mit auf den Weg gab - er sprach von einer mittelalterlichen Stadt in der Morgensonne, Rittern und dem Vogelgesang - hat unter der Verkitschung besonders gelitten. Wo immer im Heimatfilm ein Kornfeld wogt, breitet sich auch schon Bruckners unverwechselbares Hornthema darüber. Nicht einmal Beethovens „Pastoral“-Symphonie wird dermaßen von märchenbuchartigen Konnotationen geplagt. Das hat Widerspruch provoziert. Der zeitgemäße Interpret dirigiert bewußt gegen die Klischees an. Dann freuen sich die Kritiker, schreiben „entstaubt“, "entschlackt" und "von Weihrauch befreit". Und der Hörer kennt sich gar nicht mehr aus.

Das muß nicht so sein. Man kann zurück zu den Wurzeln gehen, Bruckners Partitur sehr ernst nehmen, die falschen musikantischen Attribute, die sich mit den Jahren als "Aufführungspraxis" zwischen den Notenlinien festgekittet haben, entfernen, ohne der Musik ihr Geheimnis zu rauben; jenes Geheimnis, das zu den oben geschilderten erzählerischen Exzessen geführt hat. Erst in der Synthese zeigt sich der wahre Meister. Wladimir Fedosejew, man weiß das in Wien längst, ist ein solcher. Er fegt schon mit seiner ersten Tempowahl falsche Assoziationen hinweg: Der berühmte Hornruf erklingt in einem weiten Atemzug, nicht als Folge gedehnter Signale.

Tatsächlich hat Bruckner den Stirnsatz der Vierten alla breve notiert, nicht in vier Vierteln; er hat sich, hört man da, wohl etwas gedacht. A propos Tempo: Die diesbezügliche Dramaturgie Fedosejews ist stupend. Selten begreift man den Zusammenhalt von Anfang und Ende der Symphonie allein auf Grund der klaren Disposition so unmißverständlich, wie das auf dieser aus dem Wiener Musikverein zu hören ist. Dazu: höchste Transparenz, beinhart ausgespielte Kontrastwirkungen (wie sie geschrieben sind, ohne die üblichen Verschleifungen und „runden Ecken“), Brisanz, nicht nur Geschwindigkeit im Scherzo, Atem, prachtvolle Klangentfaltung; und alles das, als ließe es sich ganz selbstverständlich, natürlich entwickeln.

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