Die Lücke zwischen Wald und Sägewerk schließen

Holztechnologie.Die Jahresringe von Bäumen sind so unverwechselbar wie der Fingerabdruck oder die Iris eines Menschen. Salzburger Forscher versuchen das zu nützen, um Holz bis in den Forst rückverfolgbar zu machen.

Woher kommen mein Frühstücksei, mein Schnitzel oder meine Kartoffeln? Wenn es um unsere Lebensmittel geht, sind exakte Herkunftsangaben mittlerweile fast selbstverständlich. Die Frage nach der Herkunft wird aber auch in anderen Bereichen immer wichtiger – wie in der Holzwirtschaft, wo in Zeiten von Zertifizierungen die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ab dem Sägewerk ist diese Verfolgbarkeit von Rund- oder Schnittholz industrielle Routine. Da gibt es nicht nur Nummern oder Barcodes, sondern auch Computertomografie (CT)-Scans, die Aussagen über die Holzqualität erlauben.

Forscher der Fachhochschule (FH) Salzburg und der Universität Salzburg arbeiten gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Nancy an einem Projekt, um die Lücke zwischen Wald und Sägewerk zu schließen. „Die Jahresringe von Bäumen sind genauso unverwechselbar wie der Fingerabdruck eines Menschen“, erläutert Alexander Petutschnigg, Leiter des Studiengangs Holztechnologie und Holzwirtschaft an der FH Salzburg, die Ausgangsidee. Diese biometrischen Daten nützt das Team, um Holz vom Wald bis zu einem verarbeiteten Produkt eindeutig identifizieren zu können.

Biometrie für Bäume

Der Computerwissenschaftler Andreas Uhl (Uni Salzburg) wendet dafür biometrische Methoden auf die Jahresringe der Bäume an. „Wir haben die existierenden Algorithmen für Fingerprint und Iris-Scan übertragen und weiterentwickelt“, berichtet Uhl. Der Vorteil dabei: In großen Sägewerken sind die bildgebenden Verfahren mit CT bereits Standard. Wenn es gelingt, im Wald Bilder von den Schnittflächen der Bäume zu machen, können die Bilddaten später verglichen und zugeordnet werden. Die Fotos werden deshalb mit einfachen, aber robusten Go-Pro-Kameras gemacht, die auch im Sport eingesetzt werden. „Wir machen damit Bilder von den Stammendscheiben“, sagt Petutschnigg.

Doch so einfach, wie es klingt, ist es dann doch nicht. Schließlich ist der Wald kein statisches Umfeld mit den immer gleichen Bedingungen. Lichtverhältnisse, Regen, Schnee oder Schmutz können die Bilder der Schnittfläche verändern, die Software muss wichtige und unwichtige Informationen filtern können. Die Querschnittsbilder werden so aufbereitet und verarbeitet, dass der Stamm und der ehemalige Standort eindeutig zuordenbar sind. Das menschliche Auge wäre mit der Zuordnung längst überfordert.

Uhl verwendet zusätzlich zur Go-Pro-Aufnahme hyperspektrale Bildgebung und Analyse und filtert dabei Frequenzbereiche heraus, die besonders aussagekräftig sind. Mit dieser Selektion bestimmter Spektralbereiche können die Stämme über die Jahresringe eindeutig anhand der vorliegenden CT-Daten identifiziert werden. Und das auch dann noch, wenn ein 40 Meter hoher Fichtenstamm längst in mehrere Teile zerlegt worden ist. „Wir errechnen beispielsweise aus den Jahresringen, die typisch für den Baum sind, das individuelle Wachstum angepasst an die jeweiligen Standortbedingungen“, erläutert Uhl. So kann der Computer vorhersagen, wie das Stammbild in zehn oder 20 Metern Höhe aussehen müsste, und daraus Schlüsse ziehen. Das funktioniert so ähnlich wie der computergenerierte Alterungsprozess von Gesichtern.

ZUM PROJEKT

„Tree Trace“ beschäftigt sich mit der Rückverfolgbarkeit von Holz zwischen Wald und Sägewerk und nützt dabei digitale Querschnittsbilder des jeweiligen Stamms. Bei dem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt arbeiten der Fachbereich Holztechnologie und Holzwirtschaft der FH Salzburg, der Fachbereich Computerwissenschaften der Universität Salzburg, die Universität Nancy (Frankreich) und die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (Deutschland) zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2019)

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