Das Glück ist ein Pass

Briefe an Amalia: Keine drei Wochen alt, bekamst du Dokumente und Unterlagen.

Ein junger Mann in weißem Hemd will wissen, ob Du schlafest. Deine Mutter bejaht freudig. Hinter der Trennwand eines Geschäfts stellt er eine Babywippe vor eine weiße Leinwand. Es tue ihm leid, nun müsstest Du geweckt werden. Deine Mutter setzt Dich in die Wippe und kitzelt Dich sanft. Als Deine Augen aufgehen, beginnt es zu blitzen. Ich sehe Dich wie durch einen Vorhang: Links hockt Deine Mutter, rechts beugt sich der junge Mann mit einem Fotoapparat über Dein Gesichtchen. Dein Porträt muss den biometrischen Anforderungen des internationalen Passwesens genügen.

Einige Wochen zuvor waren wir mit Dir auf dem Standesamt. Wir mussten Dokumente und Unterlagen vorweisen, die uns als die identifizierten, als die wir in den Systemen und Computern der Bürokratien aufscheinen. Wir mussten auch bestätigen, Dein Vermögen zu verwalten. So bekamst Du Dokumente und Unterlagen: Keine drei Wochen alt, warst Du Bürgerin der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland. Es schien Dir nicht wichtig zu sein. Mit diesen Dokumenten gingen wir zum Passamt. Nachdem sie für gut empfunden worden waren, erbat sich der Beamte, weil Du am Körper deiner Mutter schliefst, einen Blick auf Dich. Dein Gesicht stimmte mit jenem auf dem biometrischen Foto überein. Unbedingt, hatte man uns gesagt, benötigtest Du einen Pass für Deine erste große Reise.

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