Vor 200 Jahren geboren

George Eliot: Mit Witz und ohne Furcht

Als Autorin sofort erfolgreich: George Eliot (1819 bis 1880).
Als Autorin sofort erfolgreich: George Eliot (1819 bis 1880).Mary Evans / picturedesk.com
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Die englische Schriftstellerin scherte sich wenig um Konventionen. In Ehrfurcht vor ihrem Intellekt lauschten zeitgenössische Philosophen und Künstler oft andächtig ihrem Klavierspiel. Der Roman „Middlemarch“ gilt bis heute als Meisterwerk.

Sie wird am 22. November 1819 in Warwickshire im selben Jahr wie Königin Victoria geboren. Die Königin setzt die Regeln, George Eliot bricht sie. Dennoch war Victoria voller Bewunderung für ihre Kunst. Als 1871 „Middlemarch“ erscheint, wenige Jahre, nachdem William M. Thackeray (1863) und Charles Dickens (1870) gestorben sind, ist George Eliot, die eigentlich Mary Ann Evans heißt, die berühmteste englische Romanschriftstellerin. Damals wie heute gilt „Middlemarch“ als herausragendes Meisterwerk. 2015 wählen namhafte internationale Literaturkritiker ihn zum bedeutendsten britischen Roman überhaupt.

In „Middlemarch“ verwebt George Eliot geschickt die Auswirkungen der großen Reformen wie die Emanzipation der Katholiken 1829, die Wahlrechtsreform um 1832, die Industrialisierung mit den ersten Eisenbahnen und Ereignisse wie den Ausbruch der Cholera oder den Tod George IV mit dem Schicksal ihrer davon betroffenen Protagonisten. Mit Witz und Ironie beschreibt sie Klassendünkel, Intoleranz und Selbstzufriedenheit einer Gesellschaft, die von Männern dominiert wird und in der auch sehr intelligente Frauen wenig Spielraum haben, sich zu verwirklichen. Die junge Heldin Dorothea Brooke, die den Hunger nach Erkenntnis und den Scharfsinn mit ihrer Schöpferin gemeinsam hat, heiratet den um 30 Jahre älteren Gelehrten Casaubon in der Hoffnung, an seinem Wissen teilhaben zu können. Ihre Illusionen über die Ehe teilt sie mit dem jungen Arzt Lydgate, dessen schöne Frau Rosamond sein ganzes Geld für Schmuck und Kleider ausgibt. Die Idealisten Lydgate und Dorothea scheitern an ihren hohen Erwartungen und reifen erst durch leidvolle Erfahrungen. Beim Titel „Middlemarch“ wird Eliot vom berühmten Zitat aus der „Divina Comedia“ inspiriert: „Nel mezzo del cammin di nostra vita.“ Bei Dante heißt es: „Auf halbem Weg des Menschenlebens fand / ich mich in einen finstern Wald verschlagen, / weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.“ So geht es Eliots Protagonisten, und in den Augen der viktorianischen Gesellschaft ist auch sie vom rechten Weg abgekommen, lebt sie doch seit 1854 in wilder Ehe mit dem verheirateten Goethe-Biografen und Journalisten George Henry Lewes.

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