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ArcelorMittal versetzt Ilva den Todesstoß

Das süditalienische Stahlwerk Ilva in Taranto.
Das süditalienische Stahlwerk Ilva in Taranto.REUTERS
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Der weltgrößte Stahlkonzern will das marode süditalienische Werk doch nicht übernehmen, Tausende Jobs wackeln.

Rom/Luxemburg. Es war, gemessen an der Produktionsmenge, das größte Stahlwerk Europas. Und die größte Dreckschleuder. Jetzt droht die Schließung des Stahlwerks Ilva im süditalienischen Tarent, weil der weltgrößte Stahlkocher ArcelorMittal die vor einem Jahr besiegelte Übernahme rückgängig machen will. Das ist ein schwerer Schlag für die 8200 Mitarbeiter, aber auch die Regierung in Rom, die sich die Rettung des 1965 als Staatsunternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen in der wirtschaftlich benachteiligten Region auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Arcelor-Aktionäre reagierten erleichtert, dass sich der Konzern von dem Klotz am Bein trennen will: Die Aktie lag am Freitag mit mehr als zwei Prozent im Plus.

ArcelorMittal wirft der Regierung Vertragsbruch vor: Sie hatte dem Konzern anlässlich der Übernahme Rechtsschutz zugesichert, der Immunität vor Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Umweltgefährdung gewährt hatte. Mittels einer Gesetzesänderung wurde die Immunität aufgehoben. Vor zehn Tagen hat ArcelorMittal deshalb mitgeteilt, die Übernahme rückgängig zu machen.

Das Stahlwerk in Tarent steht seit Jahren wegen mutmaßlicher Gesundheitsgefahren in der Kritik. Im Jänner hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geurteilt, der italienische Staat sei bisher unzureichend gegen die Risken vorgegangen und habe damit die Menschenrechte der Einwohner in der Nähe des Werks verletzt. Die Emissionen werden für mindestens 400 Todesfälle verantwortlich gemacht.

Obwohl die Regierung gegen den Stahlkonzern wegen Vertragsbruchs vor Gericht ziehen will, bleibt ArcelorMittal hart. Wobei auch die sinkende Stahlnachfrage eine Rolle spielt. Ab Mitte Dezember will ArcelorMittal die Produktion in Tarent stark reduzieren und die insgesamt sechs Hochöfen schrittweise abschalten.

Das wirkt sich auch auf die Zuliefererindustrie negativ aus. Ilvas größte Lieferanten kündigten bereits an, sie könnten ihren Mitarbeitern die Gehälter bald nicht mehr zahlen. Folgeinsolvenzen sind daher nicht auszuschließen.

Ruf nach Reverstaatlichung

Die Gewerkschaften sind alarmiert, die Arbeiter haben vor einer Woche gestreikt. Am Freitag war im Industrieministerium ein Treffen der Arbeitnehmerorganisationen mit dem Management geplant. Gewerkschaftschef Maurizio Landini meinte, Italien könne als Industrieland nicht auf seine Stahlproduktion verzichten. „In Tarent muss man weiterhin Stahl produzieren, zugleich aber die Gesundheit der Arbeitnehmer schützen“, sagte Landini in Anspielung auf die Probleme bei der Behebung der Umweltschäden.

Die Regierung steht unter großem Druck. Die Schließung von Ilva würde nicht nur Zehntausende Arbeitsplätze vernichten, Italiens Ruf als Industriestandort wäre geschädigt. Für Ministerpräsident Giuseppe Conte ist daher der Schließungsplan „inakzeptabel“. Die Regierung ist daher willens, die Fabrik erneut unter Staatsaufsicht zu stellen. Das ist schon 2013 passiert, nachdem kein Käufer gefunden werden konnte. (eid/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2019)

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