Wort der Woche

Handelsbeschränkungen bringen nichts für den Klimaschutz

Der Welthandel steigert den Wohlstand, aber auch die CO2-Emissionen. Dennoch wären Handelsbeschränkungen keine effektive Methode des Klimaschutzes.

Die Internationale Energieagentur (IEA) kam diese Woche im neuen „World Energy Outlook“ zu dem Ergebnis, dass die Welt viel zu wenig gegen die Erderwärmung tue – sowohl bei der Umstellung auf emissionsärmere Energieträger als auch bei der Steigerung der Energieeffizienz. Dasselbe meinte zwei Tage zuvor das Netzwerk Climate Transparency: Kein einziger G20-Staat sei auf Kurs, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu können.

Die Menschheit bekommt die überbordenden Treibhausgasemissionen also nicht in den Griff. Viele Klima-Aktivisten fragen sich daher, ob nicht noch viel grundlegendere Einschnitte in unser Wirtschaftssystem nötig wären. Manche üben dabei fundamentale Kritik am Kapitalismus, andere haben insbesondere den Welthandel im Visier. Denn die globalen Handelsverschränkungen haben die Emissionen erhöht: einerseits, weil Handel zu höherem Wohlstand führt, was wiederum den Konsum und damit die Emissionen steigert; und andererseits, weil die Güterproduktion zunehmend in weniger entwickelte Länder ausgelagert wurde, wo die Energieeffizienz geringer ist.

Was würde passieren, würde man den Welthandel einschränken? Das hat sich kürzlich eine internationale Forschergruppe um Jintai Lin (Peking University) mit österreichischer Beteiligung (IIASA) im Detail angeschaut. In einem Szenario, in dem alle Zollsätze um 25 Prozentpunkte höher wären als derzeit, würden das weltweite Handelsvolumen um 32,5 Prozent zurückgehen, die globale Wirtschaftsleistung (BIP) um neun Prozent und die CO2-Emissionen um 6,3 Prozent. Noch krasser wären die Effekte, würde der Welthandel komplett eingestellt werden: Dann wären der CO2-Ausstoß um 18,9 Prozent und das weltweite BIP um 27 Prozent geringer (Nature Communications, 30. 10.).

Die Zahlen sprechen also eine klare Sprache: Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen wären wesentlich größer als die erzielbaren Einsparungen bei den Emissionen. „Beschränkungen des Handels sind keine effektive Methode zur Senkung der Emissionen“, resümieren die Forscher.

Viel sinnvoller wäre es, die weniger effizienten Länder dabei zu unterstützen, besser zu werden. In Zahlen: Würden Länder, die bei der Güterproduktion mehr CO2 ausstoßen, ihre Effizienz auf den globalen Durchschnitt verbessern, würden die weltweiten Emissionen um 24,2 Prozent sinken, ohne dass die Wirtschaftsleistung davon stark beeinträchtigt wäre.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2019)

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