Zabulon Simentov in seiner Synagoge in Kabul.

Der streitbare letzte Jude von Afghanistan

Der ehemalige Teppichhändler Zabulon Simentov passt seit 2005 allein auf die Synagoge von Kabul auf, nachdem der vorletzte jüdische Bürger des Landes gestorben ist. Beide Männer, Reste der einst bedeutenden jüdischen Gemeinde in dem islamischen Land, verband eine jahrelange bizarre Fehde, vor der sogar die Taliban kapitulierten.

Samstag in Kabul. Zabulon Simentov sitzt in seinem kleinen Wohnzimmer. Der Fernseher läuft, es kommen Nachrichten. Es geht um die aktuellen Friedensgespräche mit den Taliban.

Simentov schüttelt den Kopf und murmelt etwas vor sich hin. Normalerweise würde er auf seinem alten Gaskocher Tee kochen. Doch heute geht das nicht. Simentov, der letzte in Afghanistan lebende Jude, hält nämlich den Schabbat. Auch den Fernseher hat er – wie er betont – nicht selbst eingeschaltet. Viele Menschen, ob Juden oder Nichtjuden, würden in so einem Fall bei sämtlichen Schabbat-Regeln wohl beide Augen zudrücken. Aber das Leben des afghanischen Juden ist in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmefall.

Der Kabuler Stadtteil Shar-e Naw gehört zu den besseren Gegenden der Hauptstadt. Hier gibt es nicht nur schöne Restaurants, Hochzeitshallen und westlich anmutende Cafés, sondern auch viele traditionelle Geschäfte, die seit Jahrzehnten existieren, darunter Antiquitätenhändler und Kunstgalerien. Inmitten von alldem befindet sich auch die „Gasse der Blumenhändler“. Wie der Name schon sagt, sind hier vor allem Vertreter ebenjener Zunft vorzufinden. Sie verkaufen Tulpen und Rosen oder richten sie prächtig her für Hochzeiten oder anderweitige Feiern.

Juden in Afghanistan

Die Paschtunen, das Hauptvolk der Afghanen, stammt laut Legende von einem der zehn jüdischen Stämme ab, die nach der Eroberung Nordisraels durch die Assyrer 722 vor Christus umgesiedelt wurden und als verschollen gelten. Die Babylonier dürften ab 597 v. Chr. Juden nach Afghanistan geschickt haben, 80.000 lebten dort angeblich im 12. Jht., 1839 etwa 40.000. Nach Israels Gründung 1948 zog das Gros der Gemeinde dorthin, 1969 verblieben etwa 300, nach 1979 folgten fast alle nach.

Der Choleriker hinter dem blauen Tor

Wer diese Gasse entlanggeht, wird ein blaues Tor finden, das, wie nach genauem Hinsehen deutlich wird, mit Davidssternen verziert ist. Hier, in der letzten intakten Synagoge Kabuls, lebt Zabulon Simentov schon seit Jahrzehnten. Der kleine, dickliche Mann, der stets Kippa trägt, ist unter seinen Nachbarn mehr als nur bekannt.

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