Am Herd

Ich hasse den Herbst

Herbstnebel
HerbstnebelAPA/AFP/ODD ANDERSEN
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Und dann quillt Instagram über mit all den Fotos von buntem Laub und pittoresk nebelverhangenen Hügeln. Ich hasse den Herbst.

Ich habe es versucht. Ich habe mich bemüht, dem November etwas abzugewinnen, ja ihm so etwas wie Behaglichkeit abzutrotzen, mit Decken, so kuschelig wie ein Teddy, und Tee, so heiß wie die sprichwörtliche Liebe. Ich habe mir dicke Bücher gekauft und alte Lyrikbände herausgekramt und mich in meinen Polstersessel gelümmelt mit Blick auf die Pflanzen am Fensterbrett, die ich in einem Anfall von Trotz im Spätsommer gesetzt habe. Die weiße Leselampe spendet sanftes Licht. Draußen geht der Tag zur Neige. Zwei Zimmer weiter zupft Marlene auf ihrer Gitarre. Es könnte idyllisch sein. Aber ich mag keinen Tee. Und für die Idylle bin ich zu müde. Zu genervt. Pissed, würden die Kinder sagen.

Das macht der Herbst.

Alle anderen scheinen diese Jahreszeit zu lieben. Ihre Accounts quellen über mit Fotos von Laub, das rot und gelb an Hauswänden leuchtet, von sanften Weinbergen und im Nachmittagslicht glänzenden Seen, immer scheint gerade die Sonne, und wenn sich doch einmal der Nebel senkt, dann tut er das pittoresk wie bei Caspar David Friedrich, dann ist die Welt so stille und verträumt und voller Geheimnisse.

Offenbar bin ich immer am falschen Fleck. Mein Nebel ist einfach nur grau, mein November zu verregnet, von meinen Radausflügen komme ich klamm nach Hause. Und die Pflanzen am Fensterbrett leuchten nicht in prächtigen Farben, sie welken stumpf vor sich hin, bis sie braun vom Stängel fallen. Gäbe es da nicht das von den Jahreszeiten unbeeindruckte Basilikum und das Pfefferminz-Sträuchlein, dann wäre das alles noch trister. Trist, ja trist.


Christkindlmärkte. Ich mache Instagram zu und fange an zu rechnen. Ein Monat nur noch, bis die Tage wieder länger werden (das ist ein bisschen geschummelt). Vier Monate, bis die Bäume wieder blühen (das ist ein bisschen gehofft). Das wird ja wohl zu schaffen sein. Und nach dem März kommt der April, und dann der Mai, der Juni, und dann darf ich auch schon wieder das Meer sehen!

Doch dazwischen liegt ein Advent, in dem die Geschäfte überquellen und ich in meinem Café keinen Platz mehr bekomme, weil sich dort Touristen von der Hektik der Christkindlmärkte erholen. Ein Jänner, der zu frostig sein wird, als dass ich Radfahren könnte und der mich in die überfüllte U-Bahn zwingt. Ein Februar, der sich trotz seiner 28 Tage zieht wie ein billiger Kaugummi.

Es hilft nichts: Ich hasse den November. Ich finde Nebel nicht cool. Ich finde den Regen nicht cool. Dass die Sonne um 16. Uhr untergeht, ist eine Zumutung. 8 Grad Höchsttemperatur sind zu wenig.

Und ein einziger warmer Tag wird mich nicht eines Besseren belehren.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2019)

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