Ankläger zog fremde Fälle an sich: "Fleißaufgabe"?

(c) Clemens Fabry
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Der Wiener Staatsanwalt Sch. zog Anzeigen an sich, ohne zuständig gewesen zu sein. Der Ruf nach restloser Aufklärung wird lauter, bleibt abzuwarten, wie diese Anfrage beantwortet werden wird.

WIEN. „Hoher Bawag-Ankläger abgezogen“ – so titelte „Die Presse“ am 6.Juli 2007 exklusiv. Sch., der damalige Leiter der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft Wien, wurde einst eilig auf einen anderen Dienstposten „verschoben“ – es war herausgekommen, dass er Anzeigen an sich gezogen hatte, die gar nicht in seine Zuständigkeit gefallen waren. Einige Zeit später ging er in Pension.

„Eine österreichische Lösung“, sagt nun Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser zur „Presse“. Und kündigt eine neue parlamentarische Anfrage an. Damit ist die Causa Sch. rekordverdächtig: Es ist die zehnte parlamentarische Anfrage der Opposition.

In Beantwortung früherer Anfragen (vier von den Grünen, drei FPÖ, zwei BZÖ) räumte das Justizministerium ein: Eine Überprüfung des von Sch. geführten Referats ergab, dass der Ankläger, ohne zuständig gewesen zu sein, „mehrfach“ Strafsachen eigenmächtig bearbeitet hatte. Der Verdacht: Anwälte könnten mit Sch. gemeinsame Sache gemacht haben, um für ihre Klienten ihren Wunschankläger zu bekommen. Oder, milde ausgedrückt, laut Steinhauser: „Der Ankläger hat Fleißaufgaben gemacht.“

Anzeige gegen 20 Personen

Es sei kein Amtsmissbrauch, wenn man unzuständigerweise Strafsachen bearbeitet – sofern die Enderledigung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolge, so das Justizressort. Dementsprechend hat auch ein Staatsanwalt in Graz ein Strafverfahren gegen seinen Wiener Amtskollegen eingestellt. Das Justizressort nennt vier Strafsachen (64St4/06h, 64St46/05h, 64St28/06, 64St32/06a), in denen Sch. unzuständig eingeschritten ist. Und zumindest in einem dieser Fälle scheint fraglich, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Eine ehemalige Verdächtige dieses Verfahrens, Isabella Schörghuber (mittlerweile sind alle Vorwürfe gegen sie vom Tisch), hat 20 Personen angezeigt – wegen mutmaßlich illegaler „organisierter Vorgehensweise“ bei der Abwicklung von Strafsachen. Bleibt abzuwarten, wie diese Anfrage beantwortet werden wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)

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