Demonstrative Einigkeit nach geplatztem Treffen. Die Kommission müsse ihre Arbeit daran „weiter beschleunigen und intensivieren“, hieß es im Schreiben an Kommissionspräsident José Barroso.
Brüssel (ag./go). Die wiedergefundene Eintracht wirkt etwas forciert: Nach monatelangen Zerwürfnissen und einem geplatzten Treffen zu Wochenbeginn zeigen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nun wieder eine geschlossene Front in puncto Finanzkrise: Die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident forderten die EU-Kommission auf, schneller gegen hoch spekulative Finanzmarktprodukte vorzugehen.
Die Kommission müsse ihre Arbeit daran „weiter beschleunigen und intensivieren“, hieß es im Schreiben an Kommissionspräsident José Barroso. Bereits im März hätten sie die Kommission aufgefordert, das Arbeitsprogramm zur Regulierung der Derivatemärkte „rasch und energisch umzusetzen“. Sie forderten ein EU-weites Verbot ungedeckter Leerverkäufe „aller oder bestimmter Aktien und Staatsanleihen sowie aller oder bestimmter ungedeckter Kreditausfallversicherungen (CDS)“.
Deutschland hat vor Kurzem ungedeckte Leerverkäufe und den Abschluss ungedeckter CDS für bestimmte Aktien und alle Euro-Staatsanleihen verboten. Dieser Alleingang hatte für heftige Proteste zahlreicher EU-Staaten gesorgt.
Kommission gegen Totalverbot
Es geht hier erstens um ungedeckte Leerverkäufe. Dabei verkaufen Wertpapierhändler Aktien oder Anleihen, die sie selbst gar nicht haben, zu einem vorab fixierten Preis und hoffen darauf, dass deren Kurse unter diesen Wert fallen. Die Differenz streichen sie als Spekulationsgewinn ein. Geht die Wette aber nicht auf, sprich: steigt der Kurs, müssen sie diese Papiere kaufen und erleiden somit einen Verlust.
Zweitens geht es um ungedeckte CDS auf Staatsanleihen. Davon spricht man, wenn jemand eine solche „Versicherungspolizze“ hält, aber nicht die zu versichernden Anleihe.
Offiziell begrüßte die Kommission den deutsch-französischen Vorstoß. „Wir werden wie geplant konkrete Vorschläge im Sommer vorlegen“, sagte Barrosos Sprecherin am Mittwoch.
Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Experten in der EU-Behörde aber äußerst kritisch über solche nationalen Alleingänge. Ein totales Verbot hält man für unklug. „Wir müssen Fakt von Fiktion trennen“, sagte ein hohe Kommissionsbeamter, der mit dem Entwurf des angekündigten Regulierungsvorschlages befasst ist. „War die Marktentwicklung im Falle Griechenlands wirklich so überraschend, nachdem alle Fakten über die Staatsfinanzen bekannt geworden waren? Wenn wir an den Binnenmarkt glauben, sollten wir keine kurzfristigen Ad-hoc-Maßnahmen ergreifen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)