Asyl

Österreichs gefährliche Integrationshürden

Clemens Fabry
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Die EU-Grundrechteagentur warnt in einer neuen Studie vor einer verlorenen Generation junger Flüchtlinge. Mangelnde Perspektiven drängten sie in die Kriminalität. Explizit wird der von Türkis-Blau 2018 beendete Zugang für Asylwerber zur Lehre kritisiert.

Sie kommen oft unbegleitet, manche von ihnen sind nicht einmal 18 Jahre alt, und doch sollen sie in Europa die Grundlage für eine Existenz ihrer ganzen Familie schaffen. Die EU-Grundrechteagentur (FRA) zeichnete das Schicksal junger Flüchtlinge in sechs EU-Staaten – darunter Österreich – nach. Das Ergebnis ist für die Aufnahmeländer wenig schmeichelhaft und zeigt unter anderem auf, dass die von der türkis-blauen Bundesregierung durchgesetzten Abschreckungsmaßnahmen nicht nur den Zuzug von Migranten unattraktiver gemacht, sondern die Integration der anerkannten Flüchtlinge und Schutzbedürftigen im Alter von 16 bis 24 Jahren auch deutlich erschwert haben.

„Verzögerungen und hohe Hürden bei der Integration junger Menschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind, drohen eine verlorene Generation zu erzeugen“, fasst die Agentur das Ergebnis der insgesamt 426 Interviews mit Betroffenen und Experten in Frankreich, Deutschland, Schweden, Österreich, Griechenland und Italien zusammen. Anhand von mehreren Fällen wird die prekäre Situation in Österreich hervorgehoben. Dies beginnt bei einer unprofessionellen Behandlung des Asylantrags, monatelangen Verzögerungen, der gekürzten Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge in einigen Bundesländern, bis hin zur türkis-blauen Gesetzesänderung, die ab 2018 den Eintritt von Asylwerbern in eine Lehre verhindert hat.

Aus Verpflichtung gegenüber der Familie

Die Folge solcher Integrationshürden ist ein Abdriften von einem Teil der Jugendlichen in Drogenhandel und Kriminalität. In einem der Interviews berichtet ein staatlicher Mitarbeiter von heiklen Fällen: Zuerst müssten die Jugendlichen ein unbezahltes Sprachtraining absolvieren, dann drängt die Familie daheim, ihnen Geld zu überweisen. Bevor sie überhaupt eine Chance auf einen Beruf und eigenes Gehalt hätten, würde sie schon von Kriminellen mit finanziellen Versprechungen für das Drogengeschäft angeworben. Manche sehen tatsächlich keine andere Möglichkeit, „um ihre Verpflichtungen gegenüber der Familie zu erfüllen“ und lassen sich darauf ein.

Die Integrationsprobleme beginnen oft schon bei der Erstaufnahme. Der Bericht erzählt von einem dramatischen Fall eines unbegleiteten 14-jährigen Mädchens, das in Traiskirchen ausschließlich mit Männern untergebracht wurde, bevor es sich entschied, im Freien zu schlafen. Auf ihrem Weg zu Mitgliedern der österreichischen Gesellschaft, müssten die Ankommenden Jugendlichen teilweise schikanöse Aufnahmeverfahren mit manchmal unzureichend ausgebildeten Beamten absolvieren. Die Grundrechteagentur nennt das Beispiel von Postbeamten, die den überlasteten Asylbehörden beiseite gestellt wurden.

Für viele junge Zuwanderer setzten sich die Hürden selbst dann fort, wenn ihnen nach monatelanger Wartezeit ein Anspruch auf Asyl oder ein subsidiärer Schutzbedürftigkeit gewährt worden war. Das begann bei der Wohnungssuche und endete beim ersten Arbeitsplatz. Selbst die Fortsetzung einer Ausbildung wurde in vielen Fällen administrativ erschwert. Integrationsexperten in Deutschland und Österreich berichten von „langsamen, teuren und komplizierten“ Verfahren zur Anerkennung von vorangegangenen Ausbildungen.

Allerdings werden auch positive Beispiele angeführt. Etwa die in Wien gewährte finanzielle Unterstützung für die individuelle Unterbringung von Asylsuchenden. In Schweden wird ein erfolgreiches staatliches Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt hervorgehoben.

Das Fehlen der Familie erhöht das Risiko

Ein Grundproblem insbesondere bei Jugendlichen bleibt aber die Trennung von ihrer Familie. Subsidiär Schutzbedürftige müssten in Österreich drei Jahre warten, bevor sie überhaupt einen Familiennachzug beantragen können, kritisiert der Bericht. Und auch dann müsste für diese eine ausreichende Unterkunft, Krankenversicherung und eine ausreichende finanzielle Basis gewährleistet sein. Ähnlich wie bei der Anerkennung der bisherigen Ausbildung sei in den untersuchten Ländern die Familienzusammenführung oft mit erheblichen Kosten und administrativen Hürden verbunden.

Dabei wäre die Familienzusammenführung insbesondere für junge Flüchtlinge die wichtigste Voraussetzung für „Stabilität und Schutz“. Der Bericht fasst die Expertenmeinungen aus Österreich, Frankreich und Griechenland zusammen, wonach eine Trennung von der eigenen Familie das Risiko, in die Kriminalität abzurutschen, deutlich erhöhe.

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