Globale Regeln für eine globale Branche

(c) Michaela Bruckberger
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Die weltweite Finanzwirtschaft braucht intelligente Regeln gegen systemgefährdende Marktexzesse. Die von der Branche so heftig bekämpften höheren Eigenkapital-Unterlegungspflichten wären da ein guter Anfang.

Im Vorfeld der gerade laufenden Tagung des internationalen Bankenverbands IFF, der die Zampanos der Finanzbranche auf Einladung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in Wien versammelt, war viel von der tollen Krisenbewältigung der Branche die Rede: Die Bankenkrise sei Geschichte, man schreibe wieder hohe Gewinne. Man möge also die so erfolgreiche Finanzbranche nicht durch strengere Regulierungen unnötig einbremsen.

Keiner sagt dazu, warum das so ist: Weil sich der Bockmist, den die Institute vieler (nicht aller) der in Wien versammelten Herren des Geldes im letzten Jahrzehnt gebaut haben, nicht mehr in den Bankbilanzen, sondern in den Budgets der Industriestaaten wiederfindet. Weil die Steuerzahler zwangsweise die Zeche begleichen, während die Verursacher der Bankenkrise einander schon wieder Boni und Dividenden auf Vorkrisenniveau zuschieben können. Schon lange gibt es (nicht nur bei Banken) keine Manager- und Aufsichtsratsverantwortung mehr. Das Schlimmste, das einem, der sein Institut an die Wand fährt, passieren kann, ist deshalb, mit einer hohen Abfindung auf den Golfplatz geschickt zu werden.

Das ist angesichts der Opfer, die die Folgen der Finanzkrise jetzt den Bürgern der Industriestaaten abverlangen, ein provokanter und unerträglicher Zustand. Für den man freilich nicht die Banker verantwortlich machen kann: Die bewegen sich in einem kompetitiven Umfeld. Sie können gar nicht auf Geschäfte verzichten, die (legal und gewinnbringend) auch von der Konkurrenz gemacht werden.

Auch dann nicht, wenn klar ist, dass diese ein untragbar hohes Risiko beinhalten. Wobei Letzteres freilich dadurch relativiert wird, dass Banken darauf vertrauen können, nach der „Too big to fail“-Ideologie vom Steuerzahler „herausgehauen“ zu werden.

Wir haben es hier auch definitiv nicht mit Marktversagen zu tun: Der Markt hätte die Exzesse der vergangenen Jahre längst reguliert. Es gäbe einfach keine Banken mehr. Leider aber auch keine Geldvermögen (und dazu zählt auch das Oma-Sparbuch) und keine nennenswerte Weltwirtschaft.

Es war also völlig richtig, dass so gut wie alle Industriestaaten mit Steuerzahlergeld eingegriffen haben, um nach der Lehman-Pleite 2008 den globalen Finanz-SuperGAU zu verhindern.

Danach ist aber so gut wie alles falsch gemacht worden:

• Die meisten Länder haben wackelnden Banken Geld in Form von nicht stimmberechtigtem Kapital zur Verfügung gestellt – und damit auf Mitsprache in der Übergangsphase bis zum Wiederausstieg verzichtet.

• In den Industriestaaten wird seither zwar heftig über neue Regularien diskutiert, herausgekommen ist bisher aber so gut wie nichts. Und es wird auf globaler Ebene – und nur dort wäre es wirklich wirksam – auch so bald keine Einigkeit geben.

Die Folge: Es herrscht Business as usual. Es werden die riskanten Geschäfte einfach weiterbetrieben. Und die sie sind für die Banken selbst de facto weiterhin risikolos. Ein besonders krasses Beispiel: Banken können sich fast gratis Geld bei der EZB borgen, damit hoch verzinste Schrottanleihen von Pleitestaaten kaufen – und diese, wenn die Sache brenzlig wird, der EZB umhängen.

Das ist im Übrigen ein besonders trauriges Beispiel für die fehlende Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank: Wie sich EZB-Chef Claude Trichet bei seinem binnen 24 Stunden vollzogenen Schwenk von „der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB kommt keineswegs infrage“ zu „machen wir doch“ vom französischen Präsidenten Sarkozy am Nasenring durch die Arena hat ziehen lassen, war nicht vertrauenerweckend.

Jetzt ist die Situation verfahren, weil nur zersplittert und über Kleinigkeiten diskutiert wird: eine Bankenabgabe da, ein Verbot des Handels mit diversen riskanten Produkten dort. Ein Flickwerk, das nichts bringt. Und kontraproduktiv ist: Der Staat hat nicht die Aufgabe, Wirtschaftsunternehmen zu Tode zur regulieren oder ihnen die Art ihrer Produkte vorzuschreiben. Stattdessen sollte er verbindliche Spielregeln vorgeben, die marktwirtschaftliches Agieren ermöglichen, aber systemgefährdende Exzesse verhindern.

Und da sind wir beim diskutierten „Basel III“-Reglement, gegen das die Branche jetzt auch in Wien so heftig lobbyiert. Das sieht im Wesentlichen eine deutlich stärkere Unterlegung von Bankgeschäften mit Eigenkapital vor. Und ist deshalb – so es halbwegs flächendeckend eingeführt wird – ein sehr intelligentes, marktwirtschaftliches Instrument.

Wer Geschäfte mit mehr – echtem – Eigenkapital unterfüttern muss, der kann nicht mehr mit so hohem „Leverage“ arbeiten – und geht damit weniger Risken ein.

Das erzeugt bei der Einführung natürlich einen höheren Kapitalbedarf und könnte vorübergehend die Kreditvergabe dämpfen. Es gibt aber nicht wenige Experten, die die diesbezügliche Gräuelpropaganda der Banken für ziemlich übertrieben halten.

Auswirkungen hätte das natürlich auf Gewinne und Ausschüttungen: Deutschbanker Ackermann könnte seinen Aktionären dann vielleicht nicht mehr eine abenteuerliche 25-prozentige Kapitalverzinsung versprechen. Aber das Finanzsystem würde wesentlich stabiler. Und dafür ist der Preis mehr als gerechtfertigt.


josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)

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