Die Angeklagte Silvia Stantejsky litt als kaufmännische Leiterin unter schweren Depressionen. Die Staatsanwältin konfrontierte sie mit stark überzogenen Privatausgaben.
Dritter Akt im Justizdrama um die frühere Misswirtschaft am Burgtheater: Am Montag standen am Wiener Landesgericht das Seelenleben und die Privatausgaben von Silvia Stantejsky im Mittelpunkt. Die einzige Angeklagte sagte aus, sie habe als kaufmännische Geschäftsführerin ab 2008 immer stärker an einer psychischen Erkrankung gelitten, genauer an einer „hochgradigen Depressionsstörung mit Burn-out-Charakter und autoaggressiven Zügen“. Oft habe sie den „Gedanken gehabt, Schluss zu machen“.
Fast wöchentlich habe sie sich im Spital behandeln lassen, fünf Medikamente habe man ihr verschrieben, davon zwei schwere Psychopharmaka. Maßgebliche Stellen im Haus hätten von ihrer gesundheitlichen Situation gewusst. Und mit ein Grund für ihre Probleme sei das nicht gerade harmonische Arbeitsverhältnis zum damaligen Direktor, Matthias Hartmann, gewesen.
Hofft ihre Verteidigerin, Isabell Lichtenstrasser, mit diesen Eingeständnissen auf mildernde Umstände für die Veruntreuung von mindestens 380.000 Euro (darauf summieren sich die bisher zugegebenen Beträge)? Dann durchkreuzt Stantejskys Stolz eine solche Strategie gleich wieder: Nein, in Verhandlungen habe sie „sicher keine Fehler“ gemacht, die Medikamente hätten sie „mit Sicherheit nicht benebelt“. Eine zusätzliche Form von missbräuchlicher Verwendung von Geldern des Hauses kam übrigens auch aufs Tapet: eine Art Kredit an Mitarbeiter, die gerade in finanziellen Nöten waren – was mit erklärt, warum Stantejsky von allen die „gute Seele“ des Hauses genannt wurde.
Groß sei der Druck von Aufsichtsrat und Bundestheater-Holding gewesen. Wenn Stantejsky von Verlusten berichtete, habe man das nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen habe sie der damalige Holding-Chef, Georg Springer, dann „nach Hause geschickt“ und ihr aufgetragen: „Schau, an welchen Schrauben du drehen kannst.“
Hartmann war „sehr bestimmend“
Dieser Darstellung widersprach am dritten Prozesstag freilich Othmar Stoss, Prokurist der Holding: Stantejsky habe keineswegs deklariert, dass die geforderte schwarze Null nicht zu schaffen sei. Er habe im Gegenteil „immer den Eindruck gehabt, dass sie eine robuste Persönlichkeit ist und die Dinge erledigt“. Mit dem Antritt Hartmanns wurde die Basisabgeltung für die Burg um 2,5 Mio. Euro erhöht, das habe Spielraum zur Sanierung geschaffen. Stoss räumt aber ein, es sei sicher schwierig gewesen, mit dem „sehr bestimmenden“ Hartmann die Personalkosten zu senken. Dass der künstlerische Leiter sich für wirtschaftliche Fragen nicht interessierte, habe die darüber verärgerte Stantejsky oft „ins Lächerliche gezogen“.
Staatsanwältin Veronika Standfest ging es am Montag vor allem darum, einen allzu luxuriösen Lebenswandel der Angeklagten nachzuweisen. Sie legte minutiöse Listen der privaten Ausgaben auf Basis von Kreditkartenabrechnungen vor: 2011 lagen sie um 43.000 Euro über ihrem Jahresgehalt, ein Jahr später schon um 171.000 Euro, 2013 dann sogar um 216.000 Euro. Diese Differenzen brachten Stantejksy vor Gericht in einen Argumentationsnotstand: Sie könne dazu „im Moment nicht mehr sagen“.
Zu den auffälligen Ausgaben zählten teure italienische Designerkleidung, Wellnessaufenthalte und Urlaube in Schlosshotels, zusammen mit ihrem Lebensgefährten – der ihr allerdings, so Stantejsky, seinen Anteil immer anschließend in bar zurückgezahlt habe. Im Übrigen komme sie im Haushalt mit wenig Geld aus und leiste sich nicht einmal eine Putzfrau: „Ich habe Putzen als Ausgleich für Wutanfälle genutzt.“
Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt, mit den Aussagen von Hartmann und Springer. Ein Urteil ist erst frühestens Mitte Dezember zu erwarten. (APA/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2019)