Kritik

Martin Puntigam: Glück ist wurscht

Martin Puntigam am Premierenabend von "Glückskatze" im Kabarett Niedermair.
Martin Puntigam am Premierenabend von "Glückskatze" im Kabarett Niedermair.Lukas Beck
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Angetrieben von vielen Jubiläen steht der Kabarettist Martin Puntigam mit einem neuen Solo auf der Bühne. Spät zeigt die „Glückskatze" ihre Krallen.

Ja, wir werden uns noch alle brausen gehen, so viel ist sicher. Martin Puntigam macht den Anfang, nicht auf die große, existenzielle Art, um die es in seinem neuen Programm "Glückskatze" nach einer Halbzeit des Vorspiels auch noch geht, sondern mit einer sexuellen Weisung. Er schläft mit seiner moldawischen Putzkraft Maria.

Gut, sie heißt nicht so, was ihm egal ist, Hauptsache die Tonnen an Mikrometeoriten (Staub), die sich in der großen Altbauwohnung sammeln, verschwinden und die Wasserflecken irritieren nicht beim Sex in der Dusche. Was wiederum sein Eheleben stark irritiert, erzählt Puntigam, der einmal mehr einen selbstgerechten Zyniker spielt. Zum vierblättrigen Fest (50. Geburtstag, 30. Berufsjahr, 13. Solo, dreifärbiger Bartwuchs) muss er jetzt also seine erste Scheidung auf der Bühne abwickeln. So beginnt die "Glückskatze".

"30 Jahre Materialermüdung im Zeichen des Abendlandes", kündigt der Kabarettist und Autor zum „operettenhaften" (Nebel, Gashupe, unfreiwilliger Ansager) Start an. Unbemerkt platziert er erste Hinweise für die spätere Wende, lenkt mit bodenständigen Requisiten wie einem elastischen Doppeldildo (aus "Die Einbrenn des Lebens", Programm Nummer zehn, 2003) vom eigentlichen Thema ab. Ja, ein Dildo. Wie wild. Und Trockeneis gibt es auch. Wie "Science Busters".

Ohne Trauma gehen wir unter

Da redet er über das Glück, das ihm widerfahren ist und über die ersten tiefen Glücksfantasien, die seine kindlichen Magenwände mit Extrawurst überzogen hatten. Die Attribute „weiß, männlich, Österreicher“ waren sowieso ein Glücksgriff. Schon als junger Ministrant durfte er sich dank vieler Beerdigungen über ein tadelloses Grundeinkommen freuen. Die schöne Jugend, Ehe, Karriere - alles wirkt zu freundlich für einen Puntigam. Nach der Pause wird es schärfer.

Der Volksbildner, der er gerne ist, macht sich an die Arbeit: Nicht mehr zu ignorieren sei der Klimawandel, er ist schlimmer als gedacht - und Wissenschaft sei nun mal keine Ansichtssache. Die Alten würden nur auf die Jungen hoffen, seien aber nicht einmal in der Lage, den Namen Greta Thunbergs richtig auszusprechen.

Greta oder Maria? Alles ist zu spät, wir haben nicht mit der thermischen Wärme aus Wohnungen, Fabriken - aus der Extrawurst - gerechnet. Ein Teil davon geht in die Atmosphäre über und hilft, die Temperatur weiter anzuheizen. Und dann kommt das ganze Programm noch einmal: Klimawandel, Pole schmelzen, Flüchtlinge - nur mit dem Unterschied, dass wir unseren Energieverbrauch nicht so leicht reduzieren könnten wie Treibhausgase.

„Das einzige, was uns helfen kann, ist eine mittlere Katastrophe", droht Puntigam und zählt die ersten Indizien auf, warum diese längst begonnen habe. Der Mensch ist eben nur bereit, etwas zu ändern, wenn er ein Trauma überlebt, sagt er. Selbst wenn es die eigene Scheidung ist.

Infos

Sehen. Martin Puntigam spielt sein neues Solostück „Glückskatze“ das nächste Mal am 22., 23., 28. und 29. November im Kabarett Niedermair. www.puntigam.at

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