Interview

Stelzer: „Wir wollen in vier bis fünf Jahren 500 Millionen Euro Schulden abtragen“

LH Stelzer
LH Stelzer(c) H. Wakolbinger
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Landeshauptmann Thomas Stelzer hat einen klaren Budgetsparkurs eingeschlagen. In wichtige Infrastrukturprojekte für den Ausbau des Wirtschaftsstandorts wird weiter investiert.


Herr Landeshauptmann, in Wien hat die heiße Phase der Koalitionsverhandlung begonnen. Glauben Sie an eine Konstellation Schwarz-Grün. Kann das etwas werden?

Thomas Stelzer: Wie bei jeder politischen Zusammenarbeit muss die persönliche Ebene stimmen und ein Vertrauen zwischen den agierenden Personen da sein. Um das aufzubauen, gibt es u. a, die Sondierungsphase. Auf der anderen Seite muss auch ein verlässliches Programm für eine Regierung geschmiedet werden können – das ist diesmal besonders herausfordernd, weil wir auf Zeiten zugehen, in denen nicht mehr alles wirtschaftlich so einfach läuft, wie wir das in den letzten paar Jahren gewohnt waren. Daher wird das sicher eine knifflige und herausfordernde Gesprächsreihe werden.

Gewählt wurde von Sebastian Kurz der Partner mit den geringsten Übereinstimmungen. Wie findet man da seriös zusammen?

Man muss mehrere große Ziele gemeinsam verfolgen – für mich gehören dazu: Stabilität des Standorts, Festigung der Arbeitsplatzsituation, das Vorgehen im Investitionsbereich und vieles mehr. Wenn man sich über diese großen Ziele einigen kann, kann man auch bei den anderen Dingen, bei denen man auseinander liegt, die Wege dorthin gemeinsam finden.

Viele Bundesländer haben Erfahrung mit Grün in der Regierung. Auch Oberösterreich. Gute?

Wir haben in Oberösterreich durch zwei Perioden hindurch eine Partnerschaft Schwarz-Grün gehabt, die auch gut funktioniert hat. Bei der man sich aufeinander verlassen konnte. Aber da gilt das, was ich zu Beginn gesagt habe: dass es Vertrauen zwischen den agierenden Personen gibt und dass man ein Programm hat. Gerade unsere Partei, die ÖVP, muss sich darauf verlassen können bei wem immer wir als Partner finden, dass das Ziel ist, eine Periode fertig zu regieren.

Die Oberösterreich-Wahl steht noch nicht an, aber weit hin bis 2021 ist es auch nicht mehr. Die Parteienlandschaft ist im Umbruch. Geht der Trend der letzten Urnengänge weiter, werden Sie in eine Landtagswahl gehen, die große Veränderungen bringt.

Ja, das stimmt. Wir haben jetzt schon eine grundlegende Änderung der Parteienlandschaft miterlebt. Es gibt de facto nur mehr eine große Partei, und für Oberösterreich ist das deswegen so bemerkenswert, weil wir immer in der Geschichte bei bundesweiten Wahlen die SPÖ in Front hatten – als klassisches Land der Arbeiter und der Industrie. Dass bei der Nationalratswahl diesmal wir als ÖVP fast 15 Prozentpunkte vor dem Zweiten zu liegen gekommen sind, das ist eine wirkliche Änderung. Gleichzeitig bin ich weder eingebildet noch hochnäsig und sehe auch in der Bewegung der Wählerinnen und Wähler, dass sich niemand, auch wir nicht, darauf verlassen darf, dass man irgendetwas in einer Größenordnung fix hätte.

Gesprächspartner für Sie sind alle?

Das gilt bei uns immer. Ich verstehe meine Regierungsverantwortung so, dass wir möglichst immer versuchen mehrere, und nicht nur den unmittelbaren Koalitionspartner, einzubinden. Das gelingt trotz aller politischen Schlagabtäusche ganz gut.

Sehen Sie die FPÖ als Stabilitätsfaktor? Hier in Oberösterreich wahrscheinlich ja?

Wir haben uns dazu entschlossen, in Oberösterreich die bestehende Partnerschaft fortzusetzen. Wir haben im Programm für 2021 noch einiges vor uns. Die Phase ist ohnehin schwierig genug und wird uns als Standort fordern. Aber ich habe keine Zweifel, dass wir die Partnerschaft stabil bis zum Ende der Periode weiterführen können.

Die starke Wirtschaft im Land hat eine enorme Wunschliste an die künftige Bundesregierung und ärgert sich über den halbjährigen Stillstand. Was sehen Sie als dringlichste Schritte, die eine neue Regierung, und damit Ihre Bundesparteikollegen, angehen sollten?

Ohne Reihung – aber mittendrin sind wir beim Thema, wie wir ausreichend Fachkräfte bekommen. Dabei geht es um Bildung, um Arbeitsmarkt-Maßnahmen und um die Verbesserung der Rot-Weiß-Rot-Card, um auch qualifizierte Mitarbeiter von außen bekommen zu können. Ein massives Thema ist Forschung. Da hat Österreich den Vorteil, dass man Forschungsausgaben steuerlich geltend machen kann. Das ist ein Vorteil für unsere Betriebe. Und bei vielen Auslandsbesuchen merke ich, dass wir dafür beneidet werden. Bei der Forschung sollte man weiter ansetzen, denn ständige Innovation ist das Um und Auf, mit unserem Standort erfolgreich zu bleiben. Wir haben dazu große Infrastruktur-Themen zu lösen: Straßen, öffentlicher Verkehr, aber ganz massiv der noch raschere Breitbandausbau und dazu die 5G-Versorgung. Das muss schneller gehen. Und Österreich muss seine Rolle in der EU aktiv wahrnehmen und selbstbewusster auftreten.

Wie ist Ihre Meinung bei der vielerorts geforderten und noch von der alten Bundesregierung versprochenen Steuerentlastung?

Wichtig ist, dass es durch eine neue Regierung zu Entlastungsmaßnahmen kommt – und zwar sowohl im privaten Bereich als auch bei den Unternehmen. Weil wir ohnehin zu den Ländern mit den höchsten Abgabenquoten gehören. Gerade in der Wirtschaft liegt es auf der Hand: Wenn ich entlaste, wird auch wieder entsprechend in die Unternehmen investiert. Das nutzt dann allen. Am Ende ist auch die öffentliche Hand ein Profiteur dieser Steuerentlastung, weil damit die Investitionen sowie auch der private Konsum angekurbelt werden.

Wird das so im nächsten Regierungsprogramm stehen?

Das hoffe ich sehr, denn zumindest für unsere Partei war immer ein fixer Bestandteil, dass wir Entlastungen bei den Unternehmen wollen, und davon werden wir auch nicht abrücken.

Der angesprochene Ausbau von 5G und Breitband sowie neue Straßenprojekte: Das sind alles Themen, die österreichweit mit einem grünen Koalitionspartner schwer umsetzbar sind.

Darum sage ich ja: Das werden schwierigste Verhandlungen. Aber um es an Oberösterreich plakativ zu zeigen: Ein Thema wie die Osttangente oder die Ostumfahrung des Großraums Linz ist ein Must-have. Denn Tschechien baut die Autobahn von Prag über Budweis bis an unsere Landesgrenze. Es kann sich kein Mensch wünschen, dass der überregionale Güterverkehr in den Süden durchs Stadtgebiet von Linz kommt. Da braucht es die Osttangente. Wir brauchen aber auch die öffentliche Verkehrslösung für den Raum Linz. Da waren wir mit der alten Bundesregierung schon sehr weit und ich hoffe, dass das mit einer neuen auch weitergehen wird.

Doch gerade Großprojekte im Raum Linz gehen nur schleppend voran. Der Westring beschäftigt schon drei Landeshauptleute, und gefahren wird noch immer nicht. Wenn man das auf die Ostseite projiziert und in der Mitte das Brückendilemma anschaut, ist das für die Stadt Linz und das Land kein Ruhmesblatt. Wieso ist das so?

Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass es nicht auch politische Fehler oder Bremsen gegeben hätte bei den Projekten, die Sie angesprochen haben. Aber wir haben ein Rechtssystem geschaffen, das es sehr schwer macht, Infrastrukturvorhaben halbwegs zeitnah umzusetzen.Die abgewählte Regierung hat einen Schwerpunkt gesetzt mit einem Standortsicherungsgesetz, mit dem es gelingen sollte, bei großen Projekten eine Beschleunigung herbeizuführen. Das werden wir brauchen. Es wird dabei niemand in den Rechten beschnitten, aber es muss klar sein: Wenn ich mir etwas vornehme, einen politischen Willen habe und auch das Geld – Stichwort Westring –, dann müsste das innerhalb weniger Jahre zu realisieren sein und man sollte nicht jahrelang Instanzenwege durchlaufen müssen.

Woher nehmen wir das Geld, damit wir unserer Wirtschaft weiterhin einen tollen Standort beziehungsweise die notwendige Infrastruktur bieten können? Oberösterreichs Schuldenberg ist ja mit rund drei Milliarden Euro nicht klein.

Wir werden heuer erstmals ein Doppelbudget für die Jahre 2020 und 2021 beschließen, das den Weg weitergeht, Schulden abzubauen. Wir werden pro Jahr jeweils mehr als 90 Millionen Euro Schulden abbauen und wollen im Zeitraum von vier bis fünf Jahren insgesamt 500 Millionen Euro Schulden abtragen, so dass wir auf einen Gesamtschuldenstand von unter 2,5 Milliarden Euro kommen.

Halten das Doppelbudget und die Schuldenbremse, wenn sich die Konjunktur eintrübt und auch hoffentlich die Zinsen nicht steigen?

Wir haben in das Doppelbudget die geplante Steuerreform eingepreist, von der man ja noch nicht weiß, ob sie in der Form kommt. Nur wollten wir vorsichtig planen und budgetieren, weil Steuerreform natürlich Entlastung der Bürger, aber auch Minimierung der öffentlichen Einnahmen heißt. Wir sind planerisch wie auch bei den Wachstumsraten auf der vorsichtigen Seite und können trotzdem die großen Schwerpunkte, die wir uns vorgenommen haben, wie die Investition in Breitband, aus Landesmittel tätigen.

Was gibt das Land aus für all diese Maßnahmen?

Insgesamt haben wir ein Budget von 6,7 Milliarden Euro. Man kann das nicht nur für den klassischen Wirtschaftsbereich sehen. Wenn wir zum Beispiel ins Gesundheits- und Spitalwesen mehr als eine Milliarde Euro investieren, beschleunigt das ja auch das wirtschaftliche Fortkommen. Spitäler sind ja auch Wirtschaftsfaktoren vor Ort, und wir tragen mit dieser budgetären Gestaltung dazu bei, dass der Standort sich gut weiterentwickelt.

Schafft man Wirtschaftspolitik nur mit Förderungen? Oder würde es auch ohne öffentliche Gelder gehen?

Das ist ein beliebtes und abendfüllendes Thema. Der Umstieg in ein öffentlich gewolltes Neues braucht immer auch öffentliche Anreize und Förderungen. Wenn ich bis zu dem Zeitpunkt warte, zu dem sich das wirtschaftlich rechnet, dann werde ich halt nicht bei den Ersten dabei sein, die von solchen neuen Technologieumstellungen profitieren. Insofern wird es immer ein Maß an Unterstützung und Förderung geben müssen.

ZUR PERSON

Thomas Stelzer ist seit April 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich. In der Politik ist der studierte Jurist seit 1991 – anfangs als Linzer Gemeinderat, ab 1997 als Landtagsabgeordneter. Er wurde Geschäftsführer der ÖVP Oberösterreich, dann ÖVP-Klubobmann. 2015 wurde Stelzer Landeshauptmann-Stellvertreter und übernahm dann von Josef Pühringer das Amt des Landeshauptmanns. Stelzer ist Landesparteiobmann der ÖVP und Bundesparteiobmann-Stellvertreter. Als Landeshauptmann ist Stelzer für die Bereiche Finanzen, Kultur , Personal sowie für die Jugend zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2019)


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