Interview

Doris Hummer: „Die Babyboomer gehen in Pension“

(c) Starmayr
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Wirtschaftskammer-Oberösterreich-Präsidentin Doris Hummer fordert Investitionsanreize für die Betriebe und im Bildungsbereich klare Strategien, um mehr Jugendliche für die Lehre zu begeistern.


Frau Präsidentin, wie gut geht es der oberösterreichischen Wirtschaft – noch?

Doris Hummer: Die wirtschaftliche Lage ist durchwachsen. Wir sehen, dass viele Indikatoren nach unten zeigen, und wir erwarten ein Wirtschaftswachstum von 1,4 bis 1,6 Prozent. Auch unser Exportwachstum beträgt heuer nur noch 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Die beiden Jahre davor betrug das Exportwachstum acht und sechs Prozent. Hätten wir nicht den starken Export, wäre Oberösterreich schon in einer Rezession. Aber wir haben die Zügel noch in der Hand. Wir haben einen starken Inlandskonsum – und der Baubranche geht es auch gut.

Die Wirtschaft wartet dringend auf Entlastung. Was muss die nächste Bundesregierung als Erstes angehen?

Es gibt zwei große Schwerpunkte: Es braucht eine Entlastung bei Steuern, bei Abgaben und bei der Bürokratie. Wir erwarten uns einen Investitionsfreibetrag – das würde einen Turbo bei den Investitionen zünden. Neben den hohen Steuern stöhnen die Betriebe auch unter der Auflagenbürokratie. Das zweite große Problemfeld ist der Fach- und Arbeitskräftemangel. Es hilft die beste Konjunktur nicht, wenn wir die Mitarbeiter nicht haben und die Aufträge nicht abarbeiten können. Bei unserer aktuellen Wirtschaftskammer-Umfrage sagten schon 80 Prozent der Unternehmen, dass ihnen die Arbeitskräfte fehlen, und 60 Prozent beklagten, dass sie Aufträge ablehnen müssen.

Wird sich das Thema der fehlenden Arbeitskräfte verschärfen oder durch die drohende Konjunkturdelle jetzt etwas gemildert?

Das Problem wird sich mittelfristig verschärfen. Die Babyboomer gehen in Pension. Wir müssen als kurzfristige Strategie die Anwerbung von Fachkräften aus der EU starten und brauchen mittelfristig eine qualifizierte Zuwanderungsstrategie. Stichwort: Rot-Weiß-Rot-Card für Lehrlinge. Langfristig müssen wir im Bildungsbereich ansetzen und die Berufsbilder am Bedarf der Wirtschaft orientieren. Ebenso ist sehr wichtig, AHS-Maturanten, die kein Studium anstreben, und Studienabbrechern neue berufliche Perspektiven zu eröffnen. Mit der Dualen Akademie, einer Bildungsinnovation der WKO Oberösterreich, gelingt das bereits ausgezeichnet. Das ist ein echtes Win-win-Projekt.

Wie schaut es mit Bestrebungen aus, mehr Mädchen in die Technikberufe zu bringen?

Es wird besser. Der Kern ist, in Schulschwerpunkten Lust auf Technik machen. Maßgeschneiderte Berufsorientierungsmappen der Wirtschaftskammer für die Neuen Mittelschulen und AHS-Unterstufen in Oberösterreich zielen genau auf dieses wichtige Thema ab. Denn die technischen Talente sind bei den Geschlechtern ja gleich verteilt – aber das Potenzial wird noch nicht gehoben.

Gibt es für Ihr Wirtschaftswunschprogramm eine Wunschkoalition auf Bundesebene?

Nein, denn es geht hier weniger um die Parteifarben, sondern mehr um die Inhalte. Wenn die Entlastung der Unternehmen und der Kampf gegen den Fachkräftemangel im Regierungsprogramm stehen, dann ist das für uns die Wunschkoalition, weil sie unser Wunschprogramm hat.

Was erwarten Sie fürs kommende Jahr? Wie wird sich Oberösterreich wirtschaftlich entwickeln – besonders im Hinblick auf das herausfordernde internationale Umfeld?

Wir sehen Verwerfungen im internationalen Umfeld. Daher ist es wichtig, in Österreich eine schlagkräftige Wirtschaft zu haben. Eine Eintrübung wird kommen, aber die Stärke dieser Eintrübung haben wir selbst in der Hand. Eine berechenbare Politik und klare wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind hier entscheidend. Es braucht Investitionsanreize, etwa in Form von Förderungen und Freibeträgen, damit wir gut durchtauchen können.

Gibt es Einschätzungen, wie stark die Weltwirtschaft schwächeln wird?

Die OECD-Prognose weltweit ist auf drei Prozent Wachstum ausgerichtet – und es ist das schlechteste Wachstum seit der Finanzkrise vor zehn Jahren.

Sind Vorboten dieser schwachen Konjunktur für Oberösterreichs Betriebe schon spürbar?

Ja. Die Ersten, die es trifft, sind die Leasing-Arbeitskräfte. Viele von ihnen sind schon freigestellt. In Oberösterreich gibt es auch schon erste Anfragen nach Kurzarbeit. Bei unserem wichtigsten Handelspartner Deutschlands hingegen ist Kurzarbeit schon vielfach Realität.

Umso wichtiger wären die von Ihnen geforderten Entlastungen . . .

So ist es, und wir warten voll Ungeduld! Vor der Neuwahl hat es die ersten kleinen Schritte in homöopathischer Dosis schon gegeben. Jetzt brauchen unsere Unternehmen und ihre Mitarbeiter aber die Vitamine für die wichtigen großen Sprünge.

ZUR PERSON

Doris Hummer ist Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2019)


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