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Brexit

Großbritannien: Keep Calm and Carry on?

Schwächstes Wachstum der G7, zurückgehaltene Investitionen und sinkende Produktivität werfen die Briten weit zurück.

Nichts hat den warnenden Stimmen vor einem EU-Austritt Großbritanniens mehr geschadet als Untergangsprophezeiungen von einem „sofortigen und tiefen Schock“ mit einem Wachstumseinbruch von bis zu sechs Prozent bei einer Entscheidung für den Brexit. Prognosen wie jene des damaligen Schatzkanzlers, George Osborne, haben nicht nur die Glaubwürdigkeit von Wirtschaftswissenschaftlern in die Nähe jener von Politikern gerückt, sie haben auch jene „Jetzt erst recht“-Stimmung mitgeschürt, in der die Briten im Juni 2016 gegen die EU gestimmt haben. „Was immer man einen Ökonomen fragt, man bekommt immer die Antwort, die man möchte“, höhnte erst kürzlich der konservative Minister Jacob Rees-Mogg, ein Brexit-Hardliner.

Tatsächlich hat die britische Wirtschaft den Sturz in die Rezession vermeiden können. Aber aus der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft in der G7 wurde mit einem Schlag ein Nachzügler: Das Wachstum fiel von 2,4 Prozent im Jahr 2015 auf nur mehr jeweils 1,9 Prozent in 2016 und 2017 und weiter auf 1,4 Prozent im Vorjahr. Für 2019 erwartet die Bank of England dasselbe Niveau, jüngste Zahlen der Statistikbehörde lassen aber ein noch schwächeres Ergebnis erwarten. Im dritten Quartal legte die britische Wirtschaft um nur 0,3 Prozent zu und entging damit nur knapp der Rezession. Noch bedenklicher: Nach einem starken Juli entwickelten sich August und September sehr schwach. „Die Wirtschaft geht nicht gerade mit Schwung ins letzte Quartal“, sagt John Hawksworth, Chefvolkswirt des Beratungsunternehmens PwC. 

Was der Brexit die britische Wirtschaft bereits gekostet hat, geht aus einer Studie des Centre for European Reform hervor. Demnach ist die Volkswirtschaft heute um 2,9 Prozent kleiner als sie es ohne Brexit-Votum wäre. Das entspricht 23 Milliarden Pfund im Jahr.

Geschäftsinvestitionen stiegen um nur zwei Prozent, während sie bei Fortsetzung des Trends vor dem Brexit-Votum um 9,9 Prozent steigen hätten müssen. Studienautor John Springford: „Selbst der massive Wertverlust unserer Assets dank der Abwertung des Pfunds konnte das Klima der Unsicherheit nicht wettmachen.“ Das wiegt umso schwerer, als Großbritannien bisher (und voraussichtlich bis Ende 2020, wenn die geplante Übergangsperiode endet) weiter voll am EU-Binnenmarkt und der Zollunion teilnimmt. Die größte Bewährungsprobe steht also erst bevor. 

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