Filmmuseum

Tribut an einen Landvermesser des Films

Am 21. und 22. November zeigt das Wiener Filmmuseum das Gesamtwerk des heimischen Essayfilmers Gerhard Benedikt Friedl.

Gerhard Friedls früher Tod erstickte große Hoffnungen. Das schmale Schaffen des Steirers, der sich 2009 im Alter von 42 Jahren das Leben nahm, verhieß nämlich Seltenes: eine einzigartige filmkünstlerische Vision – und den kompromisslosen Willen, sie durchzusetzen. Dabei gründet Friedls Ruf als Ausnahmetalent hauptsächlich auf einer 73-minütigen Arbeit aus dem Jahr 2004, deren Titel nach wie vor aufhorchen lässt: „Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?“

Diese bietet eine Landvermessung der anderen Art. Während die Kamera eine Abfolge prosaischer Tableaus (Landschaften, Fabrikhallen, Büros) entlanggleitet, hört man eine im nüchternen Nachrichtentonfall vorgetragene Chronik europäischer Wirtschaftsgeschichte. Episoden aus dem Leben deutscher Industriemagnaten fügen sich zu einem Sittengemälde. Dass die Eingangsfrage nie beantwortet wird, ist Teil des Konzepts: Es geht um die Ahnung undurchsichtiger Machenschaften hinter alltäglichen Oberflächen. Wobei die Absurdität des berichteten Geschehens stetig zunimmt – und einen immer öfter zum Lachen bringt. Nicht zuletzt dank Dauerwiederholungen von Adelsnamen à la Knut von Kühlmann, Freiherr von Stumm-Ramholz. Oder Sätzen wie: „August Thyssen junior ist August Thyssens Lieblingskind.“

Begleitendes Materialienbuch

Ob die anekdotische Erzählung auf wahren Begebenheiten basiert oder nicht, spielt im Grunde keine Rolle. Selten hat Kunst das Unbehagen, das viele angesichts der Komplexität und Intransparenz kapitalistischer Gegenwart beschleicht, eindringlicher gefasst. Um Friedls Andenken wachzuhalten, hat das Wiener Filmmuseum diesen Film in den vergangenen Jahren öfter gezeigt. Am 21. und 22. November läuft dort nun eine Friedl-Gesamtretrospektive einschließlich der „Amerongen“-Blaupause „Knittelfeld – Stadt ohne Geschichte“, erster Regie-Gehversuche an der HFF München und späteren, in Los Angeles entstandenen Projekten. Spannend auch das „Arbeitsbuch“, das zeitgleich im Synema-Verlag erscheint: Texte und Arbeitsmaterialien Friedls machen darin nachvollziehbar, mit welch akribischer Genauigkeit er an seinen auf den ersten Blick trügerisch einfachen Filmen getüftelt hat – lassen aber auch seine aufwallende Verbitterung durchscheinen. (and)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2019)

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