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Es wird stürmisch in Berlin

Wolken über dem Gendarmenmarkt in Berlin. Auf dem Immobilienmarkt könnte es ebenfalls stürmisch werden.
Wolken über dem Gendarmenmarkt in Berlin. Auf dem Immobilienmarkt könnte es ebenfalls stürmisch werden. (c) Getty Images/iStockphoto (FredFroese)
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Ein neues Gesetz wirbelt Berlin durcheinander. Experten befürchten, dass Investoren und Projektentwickler den Markt verlassen, und auch die Mieter nichts davon haben.

Anfang 2020 wird die Immobilienwelt in Berlin eine andere. Dann soll nämlich das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen“ in Kraft treten. Damit werden die Mieten für etwa 1,5 Millionen vor dem Jahr 2014 fertiggestellte Wohnungen für fünf Jahre eingefroren. Hinzu kommen Obergrenzen für Neuvermietungen und Grenzen für Bestandsmieten.

Investoren und Projektentwickler sind – gelinde gesagt – irritiert, denn „es wurde auch noch die Möglichkeit geschaffen, in bestehende Verträge einzugreifen und Mieten zu senken“, so Alexander Neuhuber, der mit der Magan-Firmengruppe seit 2006 auf dem Markt aktiv ist: „Ein Sanierungsgebiet auszuweisen, in dem zeitlich befristet Sonderregeln für Hauseigentümer gelten, ist etwas anderes, als flächendeckend über eine ganze Stadt die Mieten auf einem deutlich vom Markt abweichenden Niveau einzufrieren.“

Sanierungen auf Eis gelegt

Das Gesetz wirft jetzt bereits seine Schatten voraus. So legt unter anderem die Berliner Volksbank Investitionen in den eigenen Bestand von Wohnungen auf Eis. Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaftsbank begründet diesen Schritt mit der geringen Aussicht auf Refinanzierung. Es steht im Raum, die Sanierungen in den kommenden Jahren überhaupt zurückzufahren. Zusätzlich machen die ersten Wohnungsbaugenossenschaften offenbar ernst mit der Drohung, ihr Neubau-Engagement in der Hauptstadt drastisch zurückzufahren.

„Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau“, sagt Ernst Vejdovszky, CEO der S Immo AG, die rund 1900 Wohneinheiten in Berlin besitzt, und ergänzt, dass das Wohnportfolio in Berlin zum überwiegenden Anteil aus Objekten im leistbaren Bereich bestehe, die im Durchschnitt zu einer Miete von 7,35 Euro pro Quadratmeter vermietet sind. Während der Anteil der Mieterlöse aus Berliner Wohnungen an den Gesamterlösen der S Immo deutlich unter zehn Prozent liegt, fokussiert man sich in der Hauptstadt auf das nach wie vor stark wachsende Bürosegment. Vejdovszky: „Auch wenn der derzeitige Gesetzesentwurf also tatsächlich vorerst hält, sind die Auswirkungen auf unser Gesamtportfolio überschaubar.“ Zu dem ganzen Aufruhr kommt nämlich, dass viele deutsche Juristen der Meinung sind, dass die Regelung des Bundeslandes Berlin zum Mietendeckel verfassungswidrig sei. Das Mietrecht falle in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wie Michael Schick, Geschäftsführer von Michael Schick Immobilien und Präsident des Deutschen Immobilienverbands IVD, erklärt: „Es kann nicht sein, dass der Bund einen Bereich abschließend regelt und ein Bundesland ein parallel existierendes Universum aufbaut.“ Ähnlich sieht es Neuhuber: „Ich hege die berechtigte Hoffnung, dass dieses Gesetz den vorgezeichneten Weg allen juristischen Schwachsinns gehen und von den deutschen obersten Gerichtshöfen aufgehoben wird.“

Chance zum Nachkauf?

Für Schick stellt sich jedenfalls die Frage, ob ein Investor auf Dauer in Berlin bleiben will und die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten, die dann unvermeidlich sind, durchstehen möchte: „Wer nur kurzfristige Investments plant, dem rate ich zum Exit.“ Die Experten gehen nämlich von einem Preisrückgang bei Zinshäusern und vermieteten Immobilien von bis zu 30 Prozent aus. Das sei nicht nur seine Privatmeinung, sondern auch die anderer Marktteilnehmer sowie einer Berliner Privatbank, sagt Schick. „Ein kurz- bis mittelfristiger Preisrückgang auf dem Berliner Markt kann aber auch eine Chance zum Nachkaufen sein“, so Neuhuber, der damit die aktuellen Entwicklungen aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Es kämen schon mehr Objekte auf den Markt: „Was von vielen Eigentümern allerdings noch nicht realisiert wurde, ist, dass das Angebot mit einer Preisminderung Hand in Hand gehen muss, um auf Nachfrage zu treffen.“ Er rechnet damit, dass sich die Immobilien-Preiskurve in Berlin im Jahr 2020 südwärts bewegen wird. Vielleicht eine Chance für Österreicher? „Wir haben schließlich hierzulande gelernt, mit einem Deckel, also Richtwertsystem, zu leben“, so der Mangan-Chef. Aber nicht nur die Investoren sind von der Situation betroffen, sondern auch die Mieter. Max Niklas Gille, Unternehmenssprecher der Vonovia SE, zu der auch die österreichische Buwog gehört: „Fakt ist: Ein Mietendeckel und eine Mietobergrenze werden das Problem von zu wenigen Wohnungen in Berlin vergrößern, dringend benötigte Investitionen in Energieeffizienz und den altersgerechten Umbau von Wohnungen verhindern und vor allem denjenigen nicht helfen, die in Berlin eine Mietwohnung suchen.“

Strukturelle Fehler

Damit spricht Gille ein Thema an, das in der ganzen Angelegenheit bisher zu kurz kommt, meint Neuhuber. Die Fehler in der Vergangenheit hätten nicht Privatinvestoren gemacht, sondern Berlin selbst: „Die Stadt hat ihre sozialen Wohnungsbestände vor Jahren verkauft. Sie ist hoch verschuldet und hat in vielen Bereichen eine – im Vergleich mit Wien – suboptimale Verwaltung.“ So dauerten oftmals Flächenwidmungen und Baugenehmigungen viel zu lang. „Hier müsste angesetzt werden.“ Eines sei jedenfalls sicher, meint Michael Schick: „Dem Berliner Markt stehen turbulente Zeiten bevor.“

AUF EINEN BLICK

• Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) ist Anfang 2020 zu rechnen.

• Die Obergrenze der zulässigen Miete orientiert sich am Baujahr und erstmaliger Bezugsfertigkeit der Wohnung.

Überhöhte Mieten sind auf Antrag des Mieters zu kappen.

• Langfristig orientierte Investoren können auf eine OG-Entscheidung gegen das Gesetz hoffen. Kurzfristig orientierten Investoren wird empfohlen, den Markt zu verlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2019)

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