Feuilleton

Wo Kuckuckskinder gar nicht so selten sind

Symbolbild.
Symbolbild. (c) imago stock&people (imago stock&people)
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Wer arme städtische Vorfahren hat, läuft stärker Gefahr, den falschen Namen zu tragen. Die Begründung der Forscher ist aber schrecklich herzlos.

Müsste ich eigentlich anders heißen? Das hängt davon ab, ob einer meiner offiziellen männlichen Vorfahren eine Gattin hatte, die ihm ein Kind unterjubelte. In unserer Epoche der Empfängnisverhüter und Trauschein-Muffel, in der fast die Hälfte aller Erstgeborenen ohne Ehe-Dach zur Welt kommt, ist das kein großes Thema mehr. Aber diese junge Entwicklung wächst nur als dünnes Ästchen an jahrhundertealten Stammbäumen. Und so rumort die Frage nach den Kuckuckskindern weiter. Genetische Studien im großen Stil (das Y-Chromosom verrät alles!) ergeben nur ein bis zwei Prozent an gemogeltem Nachwuchs – erstaunlich wenig, verglichen mit der Präsenz des Motivs in Literatur, Film und Stammtischrunden. In Summe erschüttert auch eine neue Studie der Uni Löwen (Current Biology, 14.11.) den beruhigenden Befund nicht: 1,6 Prozent für Belgien und Holland, über den Zeitraum von 1315 bis 1974 – da landen nur wenige Ahnengalerien am Flohmarkt. Aber erstmals wurde nach Stadt/Land und sozialen Schichten differenziert. Und da zeigt sich eine gewaltige Spreizung: Während nur ein halbes Prozent der Bauern in kleinen Dörfern Nachfahren von Kuckuckskindern sind, steigt ihr Anteil bei (einst) armen Familien in der Großstadt auf sechs Prozent – über zehnmal mehr.

Vor allem in Ballungszentren der industriellen Revolution boomten außereheliche Sexualkontakte, auch dank neuer Anonymität und fehlender sozialer Kontrolle. Das ist aber schon die einzige Erklärung im zwischenmenschlichen Maß, die uns die Forscher liefern. Alles andere ist für ihren kalten Laborblick nur Evolution und Nutzenkalkül. Die Häufung in dicht besiedelten Habitaten deuten sie vor allem zoologisch: mehr Kontakte, mehr Gelegenheiten. Überhaupt unterscheiden sie kaum zwischen Mensch und anderen Tieren – und wundern sich, warum unsere Seitensprungrate niedriger ist als etwa bei Vögeln, die auch in Paaren leben.

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