"Die Pest auf eure beiden Häuser"

In der ersten TV-Diskussion zeigen Johnson und Corbyn, warum sie beide nicht die richtigen Kandidaten für Großbritannien sind.

Das Gelächter des Publikums war vielleicht der erhellendste und ehrlichste Moment. Als der britische Premierminister Boris Johnson in der ersten TV-Debatte mit Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour Party am Dienstagabend gefragt wurde, ob man ihm eigentlich vertrauen können, brach das Studiopublikum in lautes Gelächter aus. Johnsons Liste der politischen Lügen stellt wahrscheinlich jene von US-Präsident Donald Trump in den Schatten. Privat verweigerte er kürzlich die Antwort auf die Frage, wie viele Kinder er eigentlich habe.

Was nicht bedeutet, dass die Briten anstelle ihres flamboyanten Premierministers lieber den sauertöpfischen Oppositionsführer Corbyn zu ihrem neuen Regierungschef wählen wollen. Einmal mehr erwies sich Corbyn in der Debatte als ein älterer Mann mit starken Ansichten und wahrscheinlich guten Absichten, aber sehr wenig Kapazität für die Schmutzarbeit des politischen Existenzkampfs. Nachdem er Johnson mit Fragen über die Zukunft des Gesundheitswesens NHS sichtlich in Bedrängnis gebracht hatte, wählte Corbyn statt des KO-Schlags den Handshake.

War es Fehlen von Killerinstinkt oder besonders schlaue politische Berechnung? Beide Kontrahenten wollten ihren Widersacher auf ihrem Terrain festnageln – Johnson wollte über den Brexit sprechen, Corbyn über die innenpolitische Verwüstung der letzten zehn Jahre, die er den Konservativen anlastete. Die endgültige Geschichte der Finanzkrise 2008 ist bis heute nicht geschrieben. Ebensowenig kann Corbyn schlüssig seine Brexit-Politik erklären.

Wahr ist stattdessen im Geiste Shakespeares, der schon vor Jahrhunderten alles vorausgesehen zu haben scheint, dass die meisten Wähler auch nach der Debatte mit keiner der beiden führenden Parteien ihre wahres Glück finden werden: „A plague on both your houses“, heißt es in „Romeo und Julia“, „Die Pest auf eure beiden Häuser“. Übersetze in die Gegenwart: Der unabhängige Kandidat Nick Boles meinte schon zu Wahlkampfauftakt in kluger Voraussicht über die Parteiführer der Spitzenparteien: „Schade, dass nicht beide verlieren können.“

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