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Verpunschhüttelung der Städte

Stimmung. Was den Weihnachts­gedanken mit der Punschhüttengaudi verbindet, muss erst einmal untersucht werden. Es bleibt uns vorerst ein Rätsel.
Stimmung. Was den Weihnachts­gedanken mit der Punschhüttengaudi verbindet, muss erst einmal untersucht werden. Es bleibt uns vorerst ein Rätsel.(c) Getty Images (BreatheFitness)
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Deutschsprachige Stadtkultur: Trinken alle gern klebrigen Punsch? Nein, Widerstand regt sich!

Deprimiert bin ich. Denn Mitte November ging es los. Freie Plätze im städtischen Raum wurden mit den Bretterbuden übersät. Früher gab es pro deutschsprachiger Großstadt eine Handvoll Weihnachtsmärkte, pro Kleinstadt einen einzigen, heute leistet sich jeder Straßenzug mit ein bisschen Asphalt­fläche einen. „Ist die voranschreitende Vernichtung von Flanierzonen und des kommerziell ungenutzten öffentlichen Raums tatsächlich das, was wir wollen?", fragt der Kulturjournalist Klaus Nüchtern und fordert zu Recht eine breite Diskussion zu diesem Thema. Er erwähnt neben der Verpunschhüttelung der Städte auch die Verscooterung, die mir – bisher weit entfernt von Scooternutzungen – allerdings total gleichgültig ist. Scooter verändern wenig im Stadtbild, und um das Mietpersonen erwartende oder umgestürzte klapperdürre Rollgefährt mache ich einfach einen Bogen. Scooter können mich nicht er- schüttern, stinken nicht, die Fläche, die sie einnehmen, ist im Vergleich gering.

Weihnachtsmärke und ihre Benützer hingegen stinken, sind nicht gerade eine Zierde des Kampfs für Volksgesundheit, und sie sondern unerfreuliche Geräusche ab. Unter den Produkten, die solche Hütten feilbieten, habe ich kaum je eines gefunden, das ich in
meiner Wohnung beherbergen wollte.

Weniger Geschmack scheint schwer möglich, aber Geschmack ist Geschmackssache. Ganz wie die Heißgetränke aus Wasser, Zucker und Alkohol, die sich, orientiert man sich an den ­Menschentrauben um die Buden, ­sensationeller Beliebtheit erfreuen. Das ­wundert mich zwar, aber was soll man getränkegeschmacklich von einem Land erwarten, in dem sich ein führender Politiker vor Kurzem noch gänzlich unironisch als „Red-Bull-Brother" bezeichnet hat?

Nun könnte man einwenden, das harmlose Vergnügen der Weihnachtsmarktbesucher sei Teil einer freien Lebens­gestaltung. Eh, doch da frage ich mich, müssen die Märkte so einheitlich aus­sehen, müssen sie wirklich neben dem stadtbekannten Besinnlichkeitsmüll
fast ausnahmslos gastronomische Abfallprodukte zu teuflisch hohen Preisen anbieten?

www.amanshauser.at

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 22.11.2019)

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