Kritik

Lieder von der dunklen Seite Amerikas

Rickie Lee Jones (Archivbild)
Rickie Lee Jones (Archivbild)imago stock&people
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Rickie Lee Jones, Songwriterin der US-Gegenkultur, träumte sich im Porgy & Bess ins imaginäre Coolsville.

Die 65 wilden Jahre sieht man ihr nicht an. Mit güldenen Glitzerstiefelchen, Totenkopfring und schwarzen Hot Pants trat sie auf, mit einer Gitarre in Händen – und die war keineswegs bloß Schmuck. Rickie Lee Jones, in den USA gerne Duchess of Coolsville genannt, kehrte nach neun Jahren wieder auf die Bühne des Porgy & Bess zurück – mit famoser Band, in der jeder mehrere Instrumente bediente. Die einstige Lebensgefährtin von Tom Waits ist immer noch nicht bürgerlich. Vor wenigen Jahren zog sie nach New Orleans, ihrer vertrackt groovenden, bildschweren Liedkunst führte das neue Nährstoffe zu. „The Other Side Of Desire“ von 2015 war ihr bestes Album seit dem 1981 erschienenen „Pirates“.

Umso seltsamer, dass Jones in Wien nichts daraus spielte. Davon abgesehen, nahm sie allerdings auf eine traumhafte Fahrt durch ihr Schaffen mit. Gleich als dritten Song bot sie den alten Hit „Chuck E´s in Love“ dar. Damit konnte sie zur Kür übergehen. Immer noch kann Jones ihre Jungmädchenstimme hervorzaubern – ein glockenhelles, lebenshungriges Organ, das Folk und Jazz aufs Schönste kombiniert. Ihre symbolisch aufgeladenen Liedtexte verlangten abenteuerliche Rhythmen. Vibrafon, Beserlschlagzeug und Bass liefen heiß. Irgendwann setzte sich Jones ans Klavier und produzierte mit Liedern wie „We Belong Together“ und „Coolsville“ pure Magie. Auch mit steinalten Standards wie Johnny Rays „Cry“ und „Nagasaki“ von den Mills Brothers entzückte sie. Eine Zugabe verweigerte sie. Das wäre schlechter Stil, und der hat keinen Platz in Coolsville. (sam)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2019)

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