Interview

Sonja Zwazl: „Wir haben bei den Lehrlingen ein sattes Plus“

(c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Wirtschaftskammer-Niederösterreich-Präsidentin Sonja Zwazl freut sich über das Wirken der gesetzten Lehrlingsmaßnahmen. Für die Betriebe wünscht sie sich bald konkrete Entlastungsschritte.


Frau Präsidentin, wir haben wirtschaftlich sehr erfolgreiche Jahre für die niederösterreichische Wirtschaft hinter uns. Glaubt man den Konjunkturprognosen, wird es etwas rauer: Wie beurteilen Sie die Situation und die Konjunkturaussichten?

Sonja Zwazl: Wir blasen nicht Trübsal. Wenn man Resignation ausstrahlst, tut das der Wirtschaft nicht gut. Wir haben Branchen mit einer guten Auslastung. Dafür hat zum Beispiel der Automotive-Bereich derzeit nicht das große Los gezogen. Aber nur weil es ein paar Wolken gibt, bricht nicht alles zusammen. Wir sind immer noch gut unterwegs.

Gilt das gleichermaßen für die vielen Klein- und Mittelbetriebe oder müssen sich nur die exportorientierten Unternehmen wärmer anziehen?

Egal, welches Unternehmen man hat, man schaut immer, wie man gut durch gewisse Situationen kommt. Das haben die Unternehmen schon bei der Bankenkrise vor zehn Jahren gemacht, und sie sind gut durch diese Zeit gekommen. Wir haben in Niederösterreich Leitbetriebe. Aber daneben haben wir einen großen Mix an relativ kleinen Unternehmen, die durch ihre geringe Größe auch recht flexibel sind. Wir haben jetzt mit 23,1 Milliarden Euro ein Rekord-Exportvolumen. Das ist ein Zuwachs um zwei Milliarden Euro im Vergleich zu 2016.

Wohin wird sich die niederösterreichische Wirtschaft jetzt entwickeln?

Wir werden sicher kein Minus haben. Ich bin überzeugt, dass wir zulegen können.

Was ist mit der Entlastung, die die Unternehmen zum Weiterwachsen fordern?

Entlastung der Betriebe brauchen wir konjunkturunabhängig. Aber bei rückläufiger Konjunktur ist sie wichtiger denn je. Wir brauchen Steuerentlastung und Investitionsanreize bei der Lohn- und Einkommensteuer auf allen Tarifstufen, eine Senkung der Lohnnebenkosten. Die Bemessungsgrundlage von geringwertigen Wirtschaftsgütern wurde von 400 auf 800 Euro angehoben. Das klingt gut, weil der Betrag verdoppelt worden ist. Aber wenn ich die 35 Jahre davor hernehme, in denen nichts geschehen ist, wäre eine Anhebung auf 1500 Euro schöner gewesen.

Was ist mit Förderungen?

Ein wichtiges Thema – vor allem in Bezug auf Klimaschutz. Wir haben schon einmal Förderungen für die thermische Sanierung vergeben. Da hat man im Ausmaß von 61 Millionen Euro die thermische Sanierung gefördert – und das hat Investitionen von 485 Millionen Euro ausgelöst. Das wäre jetzt auch gut.

Bei vielen Themen muss man nun auf den Bund und die neue Regierung warten. Was erwarten Sie sich von den Verhandlungen?

Ich hoffe, dass man zügig zu einer guten Zusammenarbeit kommt.

Das heißt Schwarz-Grün?

Ich erwarte mir Verantwortungsbewusstsein von den Menschen, die vorn stehen, für den Auftrag, den der Wähler gegeben hat.

Wir werden sehen, was kommt. Sprechen wir über Lehrlinge – auch ein brennendes Thema für die Wirtschaft.

Entgegen den Trends haben wir ein sattes Plus. Wir haben in den vergangenen vier Jahren 19,1 Prozent mehr junge Leute in die Lehre bekommen. Heuer haben 5039 junge Menschen in Niederösterreich eine Lehre angefangen. Im Vorjahr waren es 4790 Personen.

Wie haben Sie das geschafft?

Wichtig ist, schon bei den Eltern und Jugendlichen anzusetzen. Mit unserem Begabungskompass testen wir 13.000 Jugendliche im Jahr – wir schauen mit ihnen gemeinsam, wo ihre Begabungen liegen, und zeigen auf, welche Ausbildungsmöglichkeiten es gibt. Immerhin haben wir mehr als 200 Lehrberufe. Wir haben auch Lehrstellenberater. Wir gehen in die Schulen wie auch in die Betriebe. Wir brauchen Master und Meister in der Wirtschaft. Die Lehre ist eine hochwertige Ausbildung und lohnt sich. Wir zeigen jungen Leuten auf, dass sie nach begonnener Lehre im Arbeitsleben bis zum Alter von 25 Jahren mehr als 236.000 Euro, zum Beispiel im Metallgewerbe, verdient haben. Zum Vergleich: Bei einem Maturanten, der dann studiert mit Job, sind es etwa 34.000 Euro, die er nebenbei verdient hat.

Der Fachkräftemangel bleibt aber eklatant.

Wir müssen wegkommen davon, dass wir Leuten sagen, du hast mit 45 oder 50 Jahren keine Karrierechancen mehr. Wir können auf die Erfahrung der älteren Arbeitskräfte nicht verzichten. Wir müssen aber auch schauen, durch Qualifizierungsmaßnahmen die älteren Menschen in die digitale Welt mitnehmen. Unternehmen, in denen es einen guten Mix gibt – also Männer und Frauen, jung und alt –, funktionieren besonders gut.

ZUR PERSON

Sonja Zwazl ist Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich und Unternehmerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2019)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.