Interview

Thomas Salzer: „Entlastung der Betriebe ist Gebot der Stunde“

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IV-Niederösterreich-Präsident Thomas Salzer über die internationale Konjunkturentwicklung und die Auswirkungen auf die heimische Industrie sowie seine Einschätzung, wie wirtschaftsfit die Grünen sind.


Herr Präsident, die Geschäfte der niederösterreichischen Industriebetriebe laufen heuer noch gut. Die Zuversicht fürs kommende Jahr weicht aber langsam. Rechnen Sie mit einem Einbruch? Und wie stark würde das Österreich und Niederösterreichs Exportwirtschaft treffen?

Thomas Salzer: Es ist noch zu früh, von einer Rezession zu sprechen, aber wir werden für dieses und vor allem auch das nächste Jahr ein deutlich niedrigeres Wachstum sehen. Die nächste Bundesregierung wird also unter völlig neuen Voraussetzungen arbeiten. Wie stark der konjunkturelle Abschwung die Exportwirtschaft treffen wird, lässt sich schwer sagen – hier spielen schließlich auch viele geopolitische Faktoren mit, die wir nicht beeinflussen können. Umso wichtiger ist es, dass die nächste Bundesregierung innerhalb ihres Handlungsspielraums die richtigen Akzente zur Stärkung des Standorts setzt.

Die Weltwirtschaft ist durch die politischen Geschehnisse unsicherer denn je. Was erwarten Sie vom Endlosthema Brexit? Sollte man nicht einfach Stopp sagen und die unsichere Zeit nicht dauernd verlängern?

Ein harter Brexit ohne Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU würde die wirtschaftlichen Beziehungen langfristig schädigen. Um die Folgeschäden für die Unternehmen möglichst gering zu halten, ist es daher unerlässlich, die Brexit-Verhandlungen fortzuführen. Dabei müssen die Integrität des Binnenmarkts und der vier Grundfreiheiten der EU immer bewahrt und die Unsicherheiten für Unternehmen so weit als möglich minimiert werden.

Was würde Österreich jetzt für eine stabile Wirtschaft brauchen?

Zunächst braucht Österreich eine funktionsfähige Bundesregierung, die Entscheidungen trifft. Das Gebot der Stunde muss die Entlastung der Unternehmen sein. Dazu zählen etwa die Senkung der Körperschaftsteuer, eine Reform der Einkommenssteuertarife sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten. Die Gesamtlast der Steuern und Abgaben machte im Vorjahr immerhin 47,6 Prozent der gesamten Lohnkosten aus. Den Beschäftigten muss wieder mehr Netto vom Brutto übrig bleiben – das würde wiederum die Konjunktur ankurbeln.

Niederösterreich ist eines der wenigen Bundesländer, die noch keine Regierungserfahrung mit Grün haben. Sollte Grün erstmalig im Bund mitregieren? Haben die Grünen Verständnis für die Wirtschaftsanliegen?

Ein gewisses Grundverständnis für Wirtschaft ist den Grünen durchaus zuzuschreiben, wenn auch die Sichtweisen zum Teil anders sind als bei der ÖVP. Aber allein aufgrund der Tatsache, dass Türkis-Grün hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung hat, muss man dieser Koalition eine Chance geben. Grünen-Chef Werner Kogler hat selbst gesagt, dass der Staat auf seine Ausgaben schauen müsse und das Geld nicht auf den Bäumen wachse. Problematisch aus Sicht der Industrie sind jedoch grüne Forderungen nach einer Rücknahme von Fortschritten wie der Modernisierung der Arbeitszeit oder dem Standortentwicklungsgesetz. Auch die Forderung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Ablehnung einer gesetzlichen Schuldenbremse und die kritische Haltung gegenüber Freihandel könnte die künftige Regierungszusammenarbeit erschweren.

Das wichtigste Thema für die Wirtschaft ist der latente Fachkräftemangel.

Der Fachkräftemangel bleibt akut und könnte sich verschärfen. In den nächsten 20 Jahren arbeitet die demografische Entwicklung massiv gegen uns – Stichwort Pensionierungen und geburtenschwache Jahrgänge.

Wie ist die Strategie der IV, um hier nachhaltige Verbesserungen zu schaffen?

Wir müssen noch mehr auf die Chancen in den Mint-Fächern, also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, hinweisen, und zwar auf allen Ausbildungslevels und vor allem gegenüber Mädchen. Im Mint-Bereich entstehen die Arbeitsplätze der Zukunft, hier warten auch tolle Verdienstchancen. Trotz aller Bemühungen werden wir die Fachkräftelücke auch nicht ohne qualifizierte Zuwanderung schließen können. Dafür brauchen wir ein gutes Angebot für Fachkräfte aus dem Ausland. Wir wollen schließlich nicht das Auffanglager für jene sein, die das Sozialsystem ausnutzen, sondern ein attraktiver Standort für die besten Köpfe. Konkrete Maßnahmen dafür wären eine einfachere Regelung beim Familiennachzug oder die leichtere Anerkennung von ausländischen Qualifikationen.

ZUR PERSON

Thomas Salzer ist Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich und Unternehmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2019)

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