Interview

Walter Ruck: „Unsere Partei heißt Wirtschaft“

(C) WKW/ Michael Vorauer
  • Drucken

Für Wirtschaftskammer-Wien-Präsident Walter Ruck sind Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch. Auf dem Ausbildungssektor tue man viel: So ist die WK Wien nach der katholischen Kirche der zweitgrößte private Bildungsanbieter in Österreich.


Herr Präsident, die Wirtschaft bremst sich ein. Wie viel Unterstützung brauchen die Betriebe jetzt, um nicht möglicherweise in eine Rezession zu steuern?

Walter Ruck: Von einer Rezession sind wir weit entfernt. Was wir derzeit sehen, ist eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf hohem Niveau. Klar ist aber, dass unsere Unternehmen weitere Entlastungschritte brauchen, vor allem auch KMU. Wir haben als Interessenvertretung einige Erfolge erzielt, zum Beispiel die pauschale Gewinnermittlung für Kleinunternehmer oder eine erste Anpassung der Grenze bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern auf 800 Euro. Dieser Weg der Entlastung muss weitergegangen werden.

In Deutschland, unserem wichtigsten Handelspartner, redet man schon offen von Rezession. Vor allem die Automotive-Wirtschaft trübt sich ein. Das ist immer schlecht für Österreich.

Wir dürfen uns hier nicht von einer negativen Stimmung anstecken lassen und unser Licht unter den Scheffel stellen. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Ich habe großes Vertrauen in unsere Unternehmen und den Standort. Wir haben hervorragende und innovative Betriebe.


Die Wiener Wirtschaft ist so vielfältig aufgestellt – das kann helfen in schwierigen Zeiten: Welche Bereiche laufen noch gut. In welchen Branchen haben Sie schon Klagen gehört?

Sie sagen es vollkommen richtig, die Kraft der Wiener Wirtschaft sind ihre Vielfalt und der starke Dienstleistungssektor. Wir haben auch sehr viele innovative kleine Unternehmen in Wien, die dem Standort Impulse geben. Wirkliche Klagen habe ich bisher noch nicht gehört.


Die WKÖ mit Präsident Harald Mahrer hat erst kürzlich gepocht auf eine Steuerentlastung von fünf Milliarden Euro. Was muss da Ihrer Meinung nach alles kommen?

Offen ist zum Beispiel die Senkung der Körperschaftsteuer. Bei den geringwertigen Wirtschaftsgütern brauchen wir eine weitere Anhebung der Grenze auf 1500 Euro. Diese Grenze ist immerhin seit 1982 nicht mehr angepasst worden. Wir müssen auch den Arbeitsplatz daheim besser abschreibbar machen. Viele Ein-Personen-Unternehmen und Gründer arbeiten von zu Hause aus. Wir wissen, dass sich die Wohnrealität stark verändert hat, die Wohnungen sind offener. Ein eigenes Arbeitszimmer ist oft nicht mehr vorhanden. Das wären einfache Schritte für eine rasche Entlastung. Was mir besonders wichtig ist, ist steuerliche Fairness zwischen internationalen Online-Riesen und unseren Unternehmen. Wer in Österreich Geschäfte macht, soll auch in Österreich Steuern zahlen. Dieses Thema muss auch auf der internationalen Ebene angegangen werden.


Das ist halt nur mit einer neuen Regierung umsetzbar. Wann rechnen Sie mit der Regierungsbildung – und wie realistisch ist für sie die derzeitige Verhandlungskonstellation Türkis-Grün? Oder wäre für die Wirtschaft ein anderer Partner besser, um die Probleme der Wirtschaft zu lösen?

Als Interessenvertreter kann ich mir die Regierung nicht aussuchen, daher spekuliere ich auch nicht. Grundsätzlich ist eine türkis-grüne Regierung gesellschaftspolitisch spannend, weil sie qualitativ ein größeres Spektrum abdecken kann, als zwei Parteien mit größeren Überschneidungen. Für mich sind Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch. Wir haben sehr viele Unternehmen, die bei Umwelttechnologien führend sind. Das ist eine große Chance.


Wien wählt gleich nächstes Jahr. Das wird auch eine heiße Geschichte. Was wünschen oder hoffen diesbezüglich die Unternehmen, wie das ausgehen soll?

Unser tägliches Bestreben ist es, mit allen politischen Akteuren eine gute Gesprächsbasis zu haben. Diesen Weg des Dialogs sind wir in Wien bisher gegangen. Und er war erfolgreich. Zum Beispiel haben wir in Wien die Anrainerparkzonen für den Wirtschaftsverkehr öffnen können. Wir werden diesen Weg weitergehen und uns als Interessenvertretung der Unternehmen stark einbringen – denn unsere Partei heißt Wirtschaft.


Die Probleme der Wiener Unternehmen sind ja die gleichen wie überall anders auch: Fachkräfte- und Lehrlingsmangel, Überregulierungen, hohe Abgabenlast – und die Liste lässt sich lang fortsetzen. Große Herausforderungen. Wie können Sie als WK Wien Ihre schon oft frustrierten Betriebe unterstützen?

Das würde jetzt den Rahmen des Interviews sprengen. Wenn wir über Ausbildung sprechen: Die Wirtschaftskammer Wien ist nach der katholischen Kirche der zweitgrößte private Bildungsanbieter in Österreich. Wir haben in der Lehre entscheidende Impulse gesetzt. Neue Lehrberufe, die auf die Digitalisierung ausgerichtet sind, zum Beispiel App-Entwicklung und Coding oder der E-Commerce-Kaufmann, werden sehr gut angenommen. Wir stehen in laufenden Gesprächen, um die Regulierungsflut einzudämmen, das Steuerthema habe ich bereits angesprochen. Auch diese Liste lässt sich lang fortsetzen.

ZUR PERSON

Walter Ruck ist Wirtschaftskammer-Wien-Präsident und Unternehmer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2019)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.