Belvedere 21

Ein Glanzstück des Weltschmerzes

Von außen wirkt das Belvedere 21 derzeit fast wie ein Aquarium für das Meeres-Sinnbild, das Eva Grubinger hier illusioniert: Im Steinboden scheint eine schneeweiße Jacht zu versinken, rundherum schwimmen geheimnisvoll glänzende Ankertauminen.
Von außen wirkt das Belvedere 21 derzeit fast wie ein Aquarium für das Meeres-Sinnbild, das Eva Grubinger hier illusioniert: Im Steinboden scheint eine schneeweiße Jacht zu versinken, rundherum schwimmen geheimnisvoll glänzende Ankertauminen.(c) Belvedere Wien, Foto: Johannes Stoll
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Bildhauerin Eva Grubinger lässt eine Megajacht im Boden versinken. Den Titel der Installation, „Das Leiden am Unendlichen“, lieh sie vom Soziologen Émile Durkheim.

Nach der raumfüllenden metallenen Grenzmauer, die Monica Bonvicini in der zentralen Halle des Belvedere 21 aufstellte, interveniert hier jetzt die nächste Bildhauerin mit großer, gesellschaftspolitischer Geste: Eva Grubinger, 1970 in Salzburg geboren, deutet die Weiten des grauen Steinbodens als Meeresspiegel. Und lässt darin eine verführerisch glänzende weiße Megajacht untergehen. So heißen die größten Jachten der Welt, zumeist Statussymbole von Ölscheichs, Oligarchen und anderen Männern – bis auf Heidi Horten, die mit ihrer in Venedig geparkten „Carinthia“ nicht nur Platz 40 der größten Jachten weltweit belegt, sondern damit auch als weit und breit einzige Frau in dieser Top-100-Längenmessung vorkommt.

An derlei muss man denken, hat man sich vorsichtig auf einer der glatten Bänke niedergelassen, die in dem schicken, schnittigen Cockpit-Überbau zum Sitzen einladen. Zwölf Meter lang, sieben Meter hoch ragt er hier auf, von Grubinger selbst entworfen, wie die Originale aus glasfaserverstärktem Kunststoff gepresst. Wohl fühlt man sich hier, lässt die Finger über die gelackte Oberfläche gleiten. Titanic-Feeling kommt erst auf, wenn man die schwarzen, stacheligen Kugelformen sichtet, die gerade rund um einen im steinernen Meer aufzutauchen scheinen. „Ankertauminen“ sind es, um genau zu sein. Wie dräuende Unglücksboten scheinen sie das sinkende Schiff zu umrunden. Wie elegante Raben warten sie geduldig auf das Aas. Ein nicht sonderlich subtiles, aber durchaus eindringliches Sinnbild der Todsünde der Maßlosigkeit im 21. Jahrhundert, das nicht zufällig am Meer spielt, das durch die mediale Berichterstattung mittlerweile als große Metapher aller heutigen menschlichen und ökologischen Dramen dient.

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