Gastkommentar

So löst man den Ärztemangel nicht

Die Landeshauptleute fordern eine Aufstockung der Studienplätze im Fach Medizin. Warum das ein Fehler ist.

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Die nackten Zahlen sind nun offenbar auch bis zu den Spitzen der Bundesländer vorgedrungen: In zehn Jahren kann jeder dritte Arzt in Pension gehen, bei den niedergelassenen Kollegen sogar jeder zweite. Derzeit sind 80 Kassenstellen für Hausärzte nicht besetzt, und überhaupt werden nur 60 Prozent der Medizinabsolventen als Ärzte in Österreich tätig.

Die Lösung dafür stellen sich die Landeshauptleute – gestützt von der ÖH – recht simpel vor: Sie fordern eine Erhöhung der bundesweiten Studienplätze von derzeit 1680 auf 3000. Dazu eine kleine Milchmädchenrechnung: Ein Absolvent der Med-Uni kostet den Bund über sechs Jahre rund 200.000 Euro. Für 1680 fertige Mediziner werden demnach 336 Millionen Euro an Steuergeldern ausgegeben, für 3000 Absolventen rund 600 Millionen Euro – Mehrkosten von 264 Millionen Euro pro Jahrgang.

40 Prozent der Mediziner gehen aber ins Ausland oder betätigen sich anderweitig, etwa in der Pharmaindustrie. Bei 3000 Absolventen macht das 240 Millionen Euro, die für das österreichische Gesundheitssystem vorgesehen gewesen sind, dort aber schlussendlich nicht ankommen. Deutschland und die Schweiz bedanken sich recht herzlich.

Probleme bei der Ausbildung

Abgesehen von der finanziellen Zusatzbelastung führt die Verdopplung der Studienplätze auch zu Problemen bei der Ausbildung. Die Wartezeiten auf die Basisausbildung nach dem sechsten Studienjahr betragen derzeit etwa beim Wiener KAV sechs bis zwölf Monate. Mehr Absolventen brauchen gleichzeitig auch mehr lehrende Ärzte. Aber schon jetzt gibt es oft Schwierigkeiten, diese in den Krankenhäusern zu motivieren, jungen Kollegen diagnostische Fertigkeiten beizubringen. Angesichts des Stresses, dem sie während ihres Arbeitstags ausgesetzt sind, ist das durchaus verständlich, für die jüngeren Kollegen aber frustrierend.

Im Klinisch-Praktischen Jahr (6. Studienjahr) wird man häufig abgestellt, um Tätigkeiten der Pflege zu übernehmen. Blutabnahmen machen und EKG schreiben sind die täglichen Aufgaben der Studenten. Vielleicht aber ist es die Intention der Landeshauptleute, hier gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und den Ärzte- sowie den Pflegemangel mit nur einer Maßnahme zu lösen?

Unattraktiver Honorarkatalog

Oft genug wurde schon aufgezeigt, dass Österreich im OECD-Schnitt – je nach Berechnung – eine hohe bzw. durchschnittliche Ärztedichte und eine überdurchschnittliche Anzahl an Medizinabsolventen hat. Das Problem liegt im System und an der Verteilung. Der unattraktive Honorarkatalog der Krankenkassen schreckt viele Ärzte ab.

Das hat zur Folge, dass die Zahl der Wahlärzte stetig steigt und die der Kassenärzte seit Jahren stagniert. Ein Hausarzt auf Kassenvertrag hat beispielsweise nur wenige Minuten Zeit, um einen Patienten zu behandeln. 45 Patienten in vier Stunden – man versteht, dass diese Zahlen für Ärzte in Ausbildung nicht sehr attraktiv sind. Im Gegensatz dazu können sich Wahlärzte oft mehr als 30 Minuten mit einem Patienten beschäftigen und werden dafür auch noch besser bezahlt.

Will man auf all diese Punkte nur mit einer Erhöhung der Medizinabsolventen reagieren, hat man die grundlegende Problematik nicht verstanden. Eine Erhöhung des Personals ist keine Lösung für diverse Fehler im System, die die Attraktivität des Arztberufs und Standorts Österreich mindern. Der einfache Weg ist leider nicht immer der richtige.

Daniel Egger (*1996) studiert Humanmedizin an der Med-Uni Wien (fünftes Jahr) und arbeitet nebenbei als Cheftutor für Ärztliche Grundfertigkeiten und Gesprächsführung und ehrenamtlich bei Herz bewegt.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2019)

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