Musikverein

Robert Holl, der Leuchtturm des Liedgesangs

Eine russophile Par-force-Tour bot Ausdrucksgigant Holl im Brahmssaal, mit dem exzellenten Kirill Gerstein.

Ein Jahr vor seinem Tod gab Schostakowitsch nochmals Rätsel auf: eine (relativ) harmonische Melodie nach Art einer Spieldose im letzten Lied („Unsterblichkeit“) seiner 1974 komponierten Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarotti. Verfremdung? Ironie? Gar Scheu vor Selbstbeweihräucherung? Der herzkranke Schostakowitsch eröffnete und beendete das Lied mit jener banal klingenden Floskel in der Klavierbegleitung zu den Worten „Nein, ich ging nicht fort: Unsterblichkeit vom Tode mich erlöste“.

Große Kunst hat mit Eindeutigkeit nichts zu tun, sie stellt Fragen, die aufwecken sollen. Die Zuhörer im Brahmssaal waren bei der russophilen Par-force-Tour des Ausdrucksgiganten Robert Holl auch gehörig gefordert. Holl arbeitete sich mit dem exzellenten Pianisten Kirill Gerstein querfeldein durch das russische Liederrepertoire und bestach einmal mehr durch Gestaltungsintensität, Beherrschung der Mittel, besonders der Sprache, sowie sein einzigartiges Setzen von Gefühl, Stimmung, Farben und Nuancen. Er ist wahrlich der Leuchtturm des Liedgesangs, gerade in einer Zeit, wo diese Kunstform stets Publikum verliert – und justament nachdem zwei enttäuschende „Winterreisen“ weder für dieses Genre sprachen noch den jungen Sängergenerationen ein gutes Zeugnis ausstellten.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.