Konjunktur

Deutsche Wirtschaft schrammt an Rezession vorbei

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Das BIP ist im dritten Quartal nur um 0,1 Prozent gewachsen. Der Handelskonflikt und das Brexit-Chaos verunsichern die exportabhängige Industrie.

Die deutsche Wirtschaft ist dank des robusten Binnenmarktes und steigender Exporte der Rezession knapp entronnen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von Juli bis September um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag eine frühere Schätzung bestätigte. Im zweiten Quartal war das BIP noch um 0,2 Prozent geschrumpft, im ersten hingegen um 0,5 Prozent gewachsen. Erst bei zwei Minus-Quartalen in Folge sprechen Ökonomen von einer Rezession, die es zuletzt zum Jahreswechsel 2012/13 gab.

Positive Impulse kamen im Sommer vor allem vom Konsum: Die Verbraucher gaben 0,4 Prozent mehr aus, der Staat sogar 0,8 Prozent. Die Exporte wuchsen nach einem schwachen Vorquartal sogar um 1,0 Prozent, während die Importe nur um 0,1 Prozent zulegten. "Daneben wurde in Bauten deutlich mehr investiert als im Vorquartal", betonten die Statistiker. Hier gab es ein Plus von 1,2 Prozent. "Auch die Investitionen in sonstige Anlagen, zu denen unter anderem die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zählen, stiegen um 1,0 Prozent", hieß es. Die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeugen gingen dagegen um 2,6 Prozent zurück. Die Statistiker führen das in erster Linie auf Sondereffekte bei den staatlichen Ausrüstungsinvestitionen zurück.

Handelskonflikte, die wiederum die Weltkonjunktur schwächen und Brexit-Chaos setzen der exportabhängigen deutschen Industrie zu. Sie hat deshalb fünf Quartale in Folge ihre Produktion gedrosselt. Darunter leiden inzwischen viele unternehmensnahe Dienstleister, etwa die Logistikbranche. Die Industriestaaten-Organisation OECD sagt der deutschen Wirtschaft daher eine Dauerflaute voraus. Demnach reicht es im laufenden Jahr nur zu einem Wachstum von 0,5 Prozent, dem 2020 ein Plus von 0,8 Prozent folgen solle. 2021 soll es auch nur zu 0,9 Prozent reichen.

Volkswirte bleiben vorsichtig

"Die Industrierezession hat sich im dritten Quartal tiefer in die deutsche Volkswirtschaft hineingefressen: Neben der Industrie befinden sich nun auch die ersten Dienstleistungsbranchen formal in einer Rezession: Handel-, Gastgewerbe und Verkehr sowie die Unternehmensdienstleister. Insbesondere bei Transport- und Unternehmensdienstleistern ist der Zusammenhang zur Industrie sehr eng“, kommentierte Andreas Scheuerle von der Deka-Bank die Situation. Auch an einer anderen Stelle merke man die Kollateralschäden der globalen Unsicherheit und der Probleme der Automobilindustrie deutlich: Der kräftige Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen und die hohe Belastung durch einen Lagerabbau zeigen, dass die Unternehmen stark auf die hohe Unsicherheit reagiert haben.

Carsten Brzeski von der ING gibt sich ein wenig optimistisch: „Kurzfristig wird die Wirtschaft weiter mit Stagnation oder gar Rezession kokettieren. Nach zehn Jahren fast unaufhaltsamen Wachstums ist dies nicht unbedingt das Ende der Welt." Noch vor einiger Zeit hätte jedoch ein Wachstumsmodell, das hauptsächlich vom Konsum und vom Baugewerbe getrieben wurde, durchaus Kritik erhalten.  Auch Thomas Gitzel von der VP Bank wertet das zarte Wachstum im dritten Quartal als eine gute Nachricht. Die Gefahren seien allerdings noch nicht gebannt. „Da der Konjunkturzyklus wesentlich durch die Investitionstätigkeit beeinflusst wird, ist das negative Vorzeichen der Ausrüstungsinvestitionen ein Warnzeichen. Für Veränderungen im Konjunkturzyklus sind gerade die verhältnismäßig kleinen, aber dafür schwankungsanfälligen Investitionen entscheidend. Der private Konsum verhält sich hingegen relativ träge. Die deutsche Volkswirtschaft ist also noch nicht über dem Berg."

(Reuters)

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