Facility Management

Der ungehobene Datenschatz

BIM ermöglicht die genaue Durchleuchtung eines Gebäudes.
BIM ermöglicht die genaue Durchleuchtung eines Gebäudes. (c) Fotolia/ S.NIvens
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Die neuen technischen Möglichkeiten könnten von Facility Managern viel besser genutzt werden. Es mangelt an IT-Experten und einer effizienteren Planungskultur im Bauwesen.

Eigentlich ist es unverständlich: Über seine Fahrzeuge weiß ein Unternehmen (fast) alles. Penibel werden von Fuhrpark-Managementsystemen unzählige Daten von Pkw und Lkw registriert, Servicetermine vorgeschlagen und alle Kosten exakt bewertet. Bei einer meist wesentlich größeren Investition, der Immobilie, wissen die meisten Eigentümer im Vergleich dazu fast nichts. Dabei sind bei vielen in den vergangenen Jahren errichteten Bauwerken die Möglichkeiten zur Überwachung und Analyse kaum geringer als beim Automobil.

Ungenutzte Möglichkeiten

In modernen Bürohäusern beispielsweise finden sich unzählige Sensoren, die aber bislang meist nur eingesetzt werden, um den Komfort zu erhöhen oder Verbrauchsdaten zu erfassen. Ein wesentliches Hindernis, zur besseren Nutzung dieses Datenpotenzials sei Schrebergartenmentalität, meint Karl Friedl, geschäftsführender Gesellschafter von Moocon, einem Beratungsunternehmen in Sachen Immobilien: „Von der Beleuchtung über die Lüftung und die Jalousien bis zum Aufzug gibt es in jedem Bereich eigene Datenprotokolle.“

Diesen riesigen Datenschatz zu verwenden, läge eigentlich auf der Hand für ein effizienteres Facility Management und wäre ein notwendiger Schritt zur Digitalisierung dieses Sektors. Friedl glaubt, dass sich dadurch für alle Stake-holder des Gebäudes neue Perspektiven eröffnen würden. Nutzer könnten etwa im Smart Office per Handy-App feststellen, wo es aktuell freie Arbeitsplätze und Rückzugsräume gibt. Der Betreiber wüsste, wie ausgelastet seine Flächen sind, wie viel Energie wann wo verbraucht, welche Anlagen wie lang in Betrieb sind und wann sie gewartet werden müssen. Eigentümer hätten einen detaillierten und aktuellen Überblick über alle Details ihrer Immobilie.

Bessere Planung erforderlich

Technisch wäre all das möglich, wird aber erst in wenigen Einzelfällen realisiert. Der Datenschatz lasse sich nämlich nicht so einfach heben, wie es aussieht, meint Helmut Floegl, Leiter des Zentrum für Immobilien- und Facility Management an der Donau-Universität Krems. Zum einen mangle es an IT-Experten, die in der Lage sind, solche komplexen Aufgaben zu lösen. Zum anderen spiele auch die Planungs- und Berufskultur im Bauwesen eine Rolle. „Der Schritt zur Digitalisierung bei der Planung, bei der Errichtung und beim Betrieb einer Immobilie bedarf eines Paradigmenwechsels“, meint Floegl. Es gehe darum, weniger zu improvisieren und mehr vorausschauend zu planen. Solches Umdenken könne noch eine ganze Generation dauern, glaubt der Wissenschaftler.

Eine Frage ist für Floegl auch, welchen Sinn es für die Hausbewirtschaftung hätte, alle Details zu dokumentieren und digital abzubilden. „Wer misst, misst Mist“, meint er dazu. „Wenn Temperatursensoren schlecht angebracht sind und die kalte Luft am Fenster oder die warme bei der Heizung messen, erhält man nur irreführende Daten.“ Die damit gewonnenen Informationen brächten dann nicht mehr Klarheit, sondern schafften eher Verwirrung. Man müsse behutsam, vorsichtig und zielorientiert vorgehen, lautet sein Credo: „Welche Daten brauch ich, was hilft mit bei meiner Arbeit, wie vertrauenswürdig sind die Daten, heißen die wichtigen Fragen.“

Friedl von Moocon ist punkto breiter Nutzung digitaler Technologien deutlich optimistischer als der Wissenschaftler. BIM – Building Information Modeling – werde sich seiner Meinung nach rasch durchsetzen. Wenn in diesem Bereich die digitale Dokumentation mit ihren Vorteilen Alltag sein wird, werden Bauherrn auch vom Facility Management verlangen, dass sie vom digitalen Zwilling des Bauwerks Gebrauch machen. Hinzu kämen die Daten der Sensoren: „Es wird bald Early Birds geben, die diese Möglichkeiten nutzen wollen“, prophezeit der Experte. Er rechnet damit, dass sich bereits in den nächsten fünf bis zehn Jahren bei der Sensorik eine einheitliche Datensprache durchsetzen werde, und damit auch dieses Hindernis wegfalle.

Neue Serviceleistungen

Alexander Redlein, Professor für Facility- und Immobilienmanagement an der TU Wien, ist überzeugt, dass die dadurch mögliche Digitalisierung und Automatisierung des Facility-Managements zwar Arbeitsplätze kostet, gleichzeitig aber große Chancen für die Branche bietet: „Digitalisierung ist ein Enabler, ein Super-Tool, das ganz neue Serviceangebote und Geschäftsmodelle eröffnet.“ Die Routinearbeit werde zu einem großen Teil von der Technik übernommen. Das FM-Team könnte sich dann mit den frei gewordenen Kapazitäten beispielsweise darauf konzentrieren, umfassende Serviceleistungen rund um das Thema optimaler Arbeitsplatz anzubieten.

Damit würden Facility Manager, die die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, neue Zeiten einläuten, meint Redlein. Immer mehr Kunden erkennen seiner Meinung nach, dass eine funktionierende Arbeitsplatzumgebung, die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter sicherstellt, unterm Strich wesentlich mehr bringt, als Knausern bei kleinen Positionen der bislang klassischen Aufgaben des Facility Managements: „Fünf Minuten mehr Produktivität pro Tag und Mitarbeiter haben schließlich für den Kunden wesentlich größere Auswirkungen als alle Einsparungen etwa bei den Reinigungskosten.“

VERANSTALTUNG

Building Information Modeling (BIM) könnte auch das Facility Management auf eine ganz neue Stufe heben. Wie sich solche Projekte strategisch auf- und umsetzen lassen, ist Thema der imh Fachkonferenz „Building Information Modeling“ am 28. und 29. Jänner 2020 im Hotel Vienna South in Wien. Infos unter: www.imh.at/konferenzBIM

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2019)

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