Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger plädiert für eine freiwillige Ein-Kind-Politik.
Zukunftsangst

Kinderlos – weil die Welt zu unsicher ist?

Aus Protest gegen die Klimakrise wollen manche Frauen und Männer keine Kinder mehr bekommen – oder ihre Familienplanung auf ein Kind reduzieren. Nicht nur, um CO2 einzusparen, sondern auch aus Angst vor einer Zukunft, die unsicherer denn je scheint.

Mittlerweile weiß es jedes Kind: Ein Stück Rindersteak verursacht, bis es auf den Teller kommt, mehr CO2-Emissionen als eine Schüssel Linsen. Ein Flugzeug stößt mehr Schadstoffe aus als ein Pkw, eine Autofahrt mehr als eine mit dem Zug. Deswegen verzichten viele. Seit die Klimakrise allgegenwärtig ist, ist Reduktion für viele zu einer Lebenseinstellung geworden. Wir verzichten auf den Coffee to go, das wöchentliche Schnitzel, die monatliche Shoppingtour, den Wochenendflug nach London. Und dann gibt es jene, die noch einen Schritt weiter gehen. Man kann es so sagen: Sie verzichten auf die, die das Klimathema erst in die breitere öffentliche Debatte gebracht haben, Kinder.

Ein Kind sei das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann, schrieb die deutsche Lehrerin und Autorin Verena Brunschweiger im März in ihrem Buch „Kinderfrei statt kinderlos. Ein Manifest“ – und sorgte für einen Aufschrei. Jedes nicht in die Welt gesetzte Kind spart 50 Tonnen CO2 im Jahr, rechnet Brunschweiger vor – das entspricht etwa 35 Flügen von Wien nach New York – und stützt sich dabei auf Berechnungen von Forschern der schwedischen Universität Lund, die den Verzicht auf Kinder als wirksamste Klimaschutzmaßnahme bezeichneten.

Der Kinderverzicht sei nötig, „wenn wir noch eine Chance haben sollen“, gibt sich Brunschweiger in der „Presse am Sonntag“ überzeugt. Sie ist damit nicht allein. Etwa zur gleichen Zeit rief die britische Sängerin Blythe Pepino mit ihrer Bewegung „Birth-Strike“ zur Reproduktionsverweigerung auf, bis das Klima gerettet ist. Die amerikanische Sängerin Miley Cyrus zog nach: Sie wolle nur ein Kind bekommen, wenn sie wisse, dass es dann auch noch Fische im Meer gebe. In Kanada geloben Millennials unter dem Stichwort #NoFutureNoChildren, kinderlos zu bleiben, bis ihre Regierung mit einer adäquaten Klimapolitik dem Nachwuchs eine sichere Zukunft garantieren kann. Die aktuellen Lieblingsroyals der Briten, Prinz Harry und Herzogin Meghan, wollen sich aus Umweltschutzgründen – immerhin – auf zwei Kinder beschränken.

Zukunftsangst. Dabei ist es nicht primär das CO2-Einsparungspotezial, das die nächste Generation junger Mütter daran zweifeln lässt, Kinder zu bekommen. „Es geht mir nicht darum, dass ich das Klima retten will. Ein Kind mehr oder weniger, das macht das Kraut nicht mehr fett“, sagt die 31-jährige Anja W. „Aber ich habe Angst, in was für eine Welt ich mein Kind setze.“

Dabei wollte W. stets ein Kind haben. Auf den ersten Blick scheint auch alles perfekt: Erst diesen Sommer hat sie ihren Freund geheiratet, ist zu ihm aufs Land gezogen, ein idyllischer Ort, nicht zu weit von der Stadt entfernt – ideal, um Kinder großzuziehen. Aber je mehr das Thema Nachwuchs in greifbare Nähe rückte, desto mehr fing sie an nachzudenken. Mit der größer werdenden Klimadebatte kamen auch die Zweifel. „Wir werden zwar auch Auswirkungen mitkriegen. Aber so richtig wird es unsere Kinder, unsere Enkelkinder betreffen.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Warum man die Flugreise trotz schlechtem Gewissen doch antritt.
Klimapsychologie

Klimaschutz? Um keine Ausrede verlegen

Warum denken wir klimafreundlich, aber handeln nicht danach? Der Psychologe Thomas Brudermann benennt und erklärt 25 Ausreden für klimaschädliches Verhalten.
Klima-Aktivistinnen und Aktivisten beim Klimastreik in Berlin.
Klima-Aktivismus

Was steckt hinter dem Phänomen "Klimaangst"?

Die Klimakrise zeigt ihre Auswirkungen. Und zwar nicht nur in der Natur, sondern vor allem auch in der Gedanken- und Gefühlswelt junger Menschen. Ein Ratgeber will der Klimaangst Abhilfe schaffen.
„Klimabewusstes Verhalten kann auch egoistisch sein“, sagt Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke.
Interview

Klimapsychologin: „Viele stecken Kopf in den Sand“

Die Klimapsychologin Isabella Uhl-Hädicke erforscht, was Menschen davon abhält, umweltbewusst zu leben. Angstmachende Fakten helfen nicht immer, das eigene Umfeld schon.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.