MAK

Wien um 1900: Der Alleskönner

Otto Prutschers Prunkstück von der legendären Wiener Kunstschau 1908, organisiert u. a. von Gustav Klimt: Die Vitrine für Prutschers „Raum für einen Kunstliebhaber“.
Otto Prutschers Prunkstück von der legendären Wiener Kunstschau 1908, organisiert u. a. von Gustav Klimt: Die Vitrine für Prutschers „Raum für einen Kunstliebhaber“.(c) Otto Prutscher Archiv, Baden/Peter Kainz
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Otto Prutscher, am Markt hoch gehandelt, der breiten Öffentlichkeit aber weniger bekannt, wird 70 Jahre nach seinem Tod eine erste Einzelausstellung im MAK gewidmet.

Als „Tausendkünstler“ wurde Kolo Moser gefeiert, seinen Namen kennt man mittlerweile. Das Zersprageln zwischen den Disziplinen, das die Vision des Gesamtkunstwerks der Secessionisten rund um Klimt mit sich bringen konnte, war allerdings schon seinem Nachruhm nicht sonderlich zuträglich. Ein Entwerfer von vielem, vom Briefkopf zum Kasten zum Bild, hat in der der öffentlichen Wahrnehmung gemeinhin weniger „Aura“ als ein Maler oder ein Architekt.

Dieses Dilemma trifft auch Otto Prutscher, dem das MAK als „Allgestalter der Wiener Moderne“ jetzt die erste Retrospektive in diesem Museum widmet, 20 Jahre nach der ersten in Wien überhaupt, im Heiligenkreuzerhof der Angewandten. Prutscher hat einen schwierigen Stand im Wiener Jugendstil, da merkt man schnell: Mit Jahrgang 1880 gehörte er nicht mehr zur ersten, zur Neuerergeneration rund um Klimt, Hoffmann oder eben Moser, sondern zu ihrer ersten Schülergeneration.

Radikal waren seine Entwürfe also nicht, sie trugen eher die Fackel des reformierten Kunsthandwerks weiter. Der gelehrige Schüler machte rasch Karriere: Ab 1907 arbeitete er für die Wiener Werkstätte, ab 1909 – acht Jahre nach seinem eigenen Abschluss – trat er schon eine eigene Professur an der Kunstgewerbeschule an. Er entwarf eine prominente Einrichtung nach der anderen, für das Hotel Imperial, das (1965 abgerissene) Dianabad oder das Habig-Hutgeschäft auf der Wiedner Hauptstraße, in dem heute wohl die edelste Aida-Filiale zu finden ist.

1939 wurde Prutscher zwangspensioniert, er wollte sich von seiner Ehefrau, die jüdische Wurzeln hatte, nicht trennen. Beide konnten die Nazizeit in Wien überleben. Nach dem Krieg unterrichtete er noch ein Jahr wieder an der Angewandten, 1949 starb er schließlich in Wien. Seine Töchter lebten schon lang in Italien, wo heute in Como auch das Prutscher-Archiv zu finden ist.

Seine größte Sammlerin und Fürsprecherin starb 2018 aber in Baden, sie lebte in einer der von ihm entworfenen Villen: Hermi Schedlmayer, die dem MAK zuletzt noch rund 140 Zeichnungen und Objekte schenkte, ebenfalls Anlass dieser Ausstellung in der MAK-Gegenwartssammlung.

Brennen fürs Handwerk

Auch das absolute Prunkstück dieser Schau gehört dazu, die aufwendige, hier abgebildete Vitrine, die Prutscher für seinen „Raum für einen Kunstsammler“ entwarf, ausgestellt 1908 in der legendären Wiener Kunstschau, in deren Organisation Prutscher auch sonst maßgeblich eingebunden war. Er schrieb u. a. das Protokoll der Klimt-Gruppe im Vorfeld der Schau oder steuerte u. a. die Tischtücher für das Café der Kunstschau bei. Umfasst von getriebenem Messing, wirkt diese Vitrine jedenfalls wie ein Kamin, dessen „Feuer“ allerfeinstes Kunsthandwerk ist, die Gläser und Vasen sind ebenfalls von Prutscher kreiert, natürlich.
Durch das in den vergangenen Jahren wie schon um 1900 von einer Elite gefeierte Revival des hochwertigen Handwerks bekommt Prutscher, Sohn eines Kunsttischlers, heute wieder neue Aufmerksamkeit. Auch der Kunstmarkt zog an: 2015 fuhr sein zierlicher „Kasten auf Tisch“ im Dorotheum den Rekordpreis von 244.414 Euro ein.

Das MAK sitzt also auf einem Schatz, den es vorhat, gut zu behandeln. Die Vitrine soll etwa dauerhaft in die „Wien um 1900“-Schausammlung integriert werden, wie Direktor Thun-Hohenstein ankündigte. Der MAK-Bestand soll bald digital abrufbar sein, immerhin die mittlerweile wichtigste Sammlung von Prutschers Werk, das aus insgesamt Tausenden Entwürfen besteht, allein 70 Einrichtungen, 200 Einzelmöbel, Hunderte Kunsthandwerk-Objekte für über 200 Unternehmen von Loetz bis Thonet bis Backhausen – und 50 Bauten, die noch vor allem einer Neubewertung harren.

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