Interview

„Schieflagen im Wettbewerb beseitigen“

(C) Oliver Wolf
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Für WKO-Steiermark-Präsident Josef Herk ist in Hinblick auf die nachlassende Konjunktur ein Investi-tionsanreizpaket von besonderer Bedeutung. Außerdem gilt es, Infrastrukturnachteile sukzessive aufzuholen.


Herr Präsident, die Steiermark gehört zu den führenden Wirtschaftsländern – mit starkem Export und hoher Forschungsleistung. Wie wird sich die Eintrübung der Weltwirtschaft auf die steirischen Betriebe auswirken?

Erste Anzeichen eines Nachlassens der enorm guten Konjunkturdynamik haben wir schon im Lauf des Jahres gespürt. Die Ursachen dafür liegen in erster Linie in einer steigenden Unsicherheit, resultierend aus Zollstreitigkeiten, Brexit und Co. Und einer damit einhergehend wachsenden Zurückhaltung bei den Nachfragern und Investoren. Für die Steiermark erwarte ich daher eine Normalisierung der konjunkturellen Lage, zumindest kurzfristig.

Die Wachstumsprognosen für heuer und nächstes Jahr wurden erneut zurückgenommen – mit 1,6 Prozent und 1,7 Prozent. Wie schaut es in der Steiermark aus? Wie viele Reserven haben die Betriebe aufgebaut?

Die Auftragsbücher sind in vielen Branchen nach wie vor gut gefüllt, daher erwarte ich auch keinen massiven Einbruch. Viele Betriebe sind vor allem auf der Produktionsseite ohnedies am Limit gelaufen, da uns weiterhin der Fachkräftemangel zu schaffen macht. Die Wachstumszahlen der vergangenen beiden Jahre dürfen wir uns aufgrund rückläufiger Auftragseingänge allerdings nicht erwarten.

Viele Unternehmer sagen: Wir haben zu wenig Investitionsanreize und Fachkräfte, um die Wachstumsraten anzuheben. Ihre Vorschläge, um dem Dilemma zu entkommen?

In der Arbeitsmarktpolitik gilt es, zunächst jene Hebel in Bewegung zu setzen, die uns kurzfristig Linderung verschaffen: die nachhaltige Nutzung von Jobmessen, der qualifizierte Zuzug mit der Rot-Weiß-Rot-Karte, die überregionale Vermittlung im AMS und unternehmensnahe Ausbildungen. Langfriststrategien müssen vor allem im Bildungs- und Berufsorientierungsbereich ansetzen. Auf der Investitionsseite bedarf es „nur“ der Umsetzung des Steuerreformpakets, das die letzte Bundesregierung bereits in den Startlöchern hatte.


Die Steiermark wählt am 24. November. Was erwarten Sie für ein Ergebnis?

Wir erhoffen uns ein klares Ergebnis und vor allem eine rasche Regierungsbildung, damit es zu keinem Stillstand im Land kommt und die durchaus herausfordernden Aufgaben der Zukunft in Angriff genommen werden können. Nur in einem gesicherten politischen Umfeld werden Investitionen getätigt, und das ist es, was die Wirtschaft in der Steiermark braucht.

Was sind die größten Probleme der Wirtschaft, die es gilt von den neuen Regierungen anzugehen, um die Firmen zu entlasten?

Im Hinblick auf die nachlassende Konjunktur ist ein Investitionsanreizpaket von besonderer Bedeutung. Weiters gilt es, die Schieflagen im Wettbewerb, vom Handel bis hin zum Tourismus, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu beseitigen. Fairness im Steuer- und Abgabenbereich ist das Gebot der Stunde. Außerdem gilt es, Infrastrukturnachteile sukzessive aufzuholen. Neben der Umsetzung der Südbahn bedarf es auch einer Modernisierung der Phyrn-Schober-Achse in Form eines neuen Bosruck-Eisenbahntunnels.

Was sind die großen Herausforderungen der Zukunft für die Wirtschaft? Und wie unterstützen Sie die Unternehmen dabei?

Zu den größten Herausforderungen derzeit zählen zum einen der Fachkräftemangel und der demografische Wandel, der diesen noch massiv verstärken wird. Die WKO hat ein Maßnahmenpaket geschnürt, das von Jobmessen mit dem AMS über das Talentcenter bis hin zu modernen Berufswettbewerben wie den Euro Skills reicht. Zum anderen verändert die Digitalisierung unseren Wirtschaftsalltag. Hier bieten wir den Unternehmen Hilfestellungen, von der Unterstützung beim Aufbau digitaler Geschäftsmodelle bis hin zum Einsatz für einen fairen Wettbewerb.

In der Steiermark gibt es starke regionale Unterschiede wie das boomende Grazer Becken und auf der anderen Seite die strukturschwächere Hochsteiermark. Was lässt sich tun, um die schwachen Regionen zu fördern?

Die steirischen Regionen performen wirtschaftlich zum Teil erstaunlich – de facto gibt es in allen Regionen der Steiermark international erfolgreiche Betriebe. Es fehlt aber die Urbanität, die gerade junge Menschen anzieht. Daher kann die Aufwertung und Stärkung der Regionen nur über eine Aufwertung der zentralen Orte erfolgen. Eine dezentrale Konzentration öffentlicher Einrichtungen und Städtefusionen als nächstes Kapitel einer Gemeindereform sind hierbei wichtige Stellhebel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2019)

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