Kopfhörer-Testbericht

Huawei FreeBuds 3: Eine lange Liste von Fehlern

Die Ähnlichkeit der FreeBuds 3 zu Apples AirPods ist frappant. Statt es besser zu machen, hat Huawei aber auch die Fehler Apples kopiert und noch selbst einige gemacht.

Huaweis mobile Zukunft steht in den Sternen. Ein Ende des US-Bann ist nicht in Sicht und so muss Huawei weiterhin darauf verzichten, seine Smartphones in Europa auf den Markt zu bringen. Zwar versucht Spanien das Mate 30 auch ohne Google-Apps anzubieten, aber ein Erfolg dieser Strategie ist zu bezweifeln. Doch Huawei will sich im B2C-Bereich breiter aufstellen. Mit den Laptops konnten sich die Chinesen als ernstzunehmende MacBook-Alternative positionieren. Bei den Kopfhörern will man ähnliches erreichen. Die FreeBuds 3 sollen dafür sorgen, dass die Marke Huawei weiterhin präsent bleibt. Doch an die eigenen Qualitätsstandards reicht man mit diesem Produkt nicht heran. „Die Presse“ hat die Kopfhörer getestet.

Der erste Blick reicht aus: Huawei reizt bei seinen neuen Bluetooth-Kopfhörern das Vorurteil einer chinesischen Copycat ordentlich aus. Bei der Ladeschale hat es noch für eigene Design-Ansätze gereicht. Die an einen Eishockey-Puck erinnernde Form passt in jede Hosentasche. Sie sind kompakt und sehen edel aus. Auch an der Verarbeitung gibt es nichts auszusetzen. Das hört dann aber bei den Stöpseln wieder auf.

(c) Huawei
(c) Apple

Bei den FreeBuds 3 hat sich Huawei wie auch Apple schon zuvor für eine glatte Oberfläche entschieden. Die Klavierlackoptik mag zwar ein edles Finish zu vermitteln, hat aber in der Praxis Nachteile. Beim Test hielt der rechte Stöpsel noch recht annehmbar gut, der linke verabschiedete sich bei nahezu jeder Bewegung. Für sportliche Aktivitäten sind sie kaum zu gebrauchen. Kaum schwitzt man, verlieren sie jegliche "Bodenhaftung". Hier hätte man aus Apples anfänglichen Fehlern lernen können. Immerhin hat der US-Konzern bei der Pro-Version nun auch auf eine In-Ear-Variante mit unterschiedlichen Aufsätzen gesetzt, wodurch diese besser den eigenen Ohren angepasst werden können. So schränkt sich Huawei seine Käufergruppe massiv ein. Das wird aber erst nach dem Kauf klar und Umtausch ist aus hygienischen Gründen schwierig.

Die Bedienung per Touch-Gesten

In der Theorie kann man an den Ohrstöpseln die Musikwiedergabe steuern. Die Gestensteuerung auf Kopfhörern macht bei Over-Ear-Geräten durchaus Sinn. Eine große Fläche verzeiht Ungenauigkeiten. Je kleiner die Stöpsel, umso schwieriger wird die Bedienung. Es kommt bei den FreeBuds oft zu Fehlsteuerungen. Das nervt auf Dauer und hinzu kommt die schlechte Passform, weswegen man jegliches Angreifen und Bewegen der Ohrstöpsel mit der Zeit vermeiden will.

Und wenn schon Gestensteuerung, wäre es fein gewesen, die Lautstärke regulieren zu können. Die Gesten sind aber fix vergeben, hier kann der Nutzer keine Veränderungen vornehmen. Eine Unart, die Apple sonst angekreidet wird.

(c) Huawei

Wie bewältigt es seine primäre Aufgabe?

Fakt ist: Es gibt deutlich bessere Kopfhörer in dem Preissegment am Markt. Für knapp 200 Euro bekommt man die Bose SoundSport. Der Mittenbereich ist zwar sehr gut, jedoch ist der Bass aufdringlich und dauerpräsent. In der App lassen sich auch leider keine Feinjustierungen vornehmen.

Wirklich herausragend ist die Gesprächsqualität. Der Gesprächspartner ist unabhängig von den Umgebungsgeräuschen klar zu verstehen und man selbst wird auch gut verstanden.

Wo ist das versprochene Noise-Cancelling?

Die Kopfhörer dichten nicht ordentlich ab, darum kommen Umgebungsgeräusche nahezu ungehindert durch. Im Großraumbüro können die FreeBuds noch einiges abfangen, aber im Flugzeug gewinnen die Turbinengeräusche haushoch, leider. Selbst auf höchster Lautstärke kam Helena Bonham Carter in der Rolle der Prinzessin Margaret ("The Crown") nicht gegen die Turbinen an.

(c) Huawei

Da half auch kein Nachjustieren in der App; die Unterschiede sind nicht hörbar. Ähnlich verhält es sich im Außeneinsatz bei Wind. Kein Wunder, dass Huawei auf einen Transparenzmodus verzichtet, man hört die Umgebungsgeräusche sowieso.

Das in der App angezeigte Drehrad für die Geräuschunterdrückung ist dabei aber auch nur ein Anpassen an den "persönlichen Hörkanal".

Ostern mit Huawei

Wer die Suche zu Ostern schätzt, kann sich auf Huaweis unlogisch verteilte Einstellungsmöglichkeiten freuen. Ein Teil der Einstellungen findet sich in den Bluetooth-Einstellungen (Ohrerkennung). Das Noise-Cancelling wiederum in Huaweis "Smart Home"-App. Wieso es hier nicht eine zentrale Stelle gibt, bleibt ein Rätsel. iPhone-Nutzer schauen gänzlich durch die Finger. Eine iOS-App wird nicht angeboten. Auch Android-Smartphones werden stiefmütterlich behandelt. Eine All-in-One-Lösung wird nur Huawei-Smartphone-Besitzern angeboten.

Apropos Ohrerkennung: Diese funktioniert hingegen sehr gut. Kaum wird ein Stöpsel entfernt, erkennt es die Software. Es stoppt die Wiedergabe und spielt nahtlos weiter, wenn sie wieder beide eingesetzt sind.

Die Bluetooth-Kopfhörer (5.1 und 5.1 LE) sind kleine Energievampire. Einen ganzen Tag im Dauereinsatz halten sie nicht durch. Mit aktiver Geräuschunterdrückung reduziert sich die Akkuleistung auf knapp vier Stunden. Nach knapp 20 Minuten in der Ladeschale sind sie aber bereits wieder auf 100 Prozent. Doch auch die Schale selbst hat nur eine begrenzte Kapazität. Nach knapp vier Ladezyklen müssen diese wieder an den Strom (per USB-C).

Fazit: Wenn überhaupt, dann für Huawei-Fans

Für Besitzer eines Huawei-Smartphones mit EMUI10 sind die Kopfhörer durchaus eine Option, vorausgesetzt sie haben die richtigen Ohren dafür. Und sie wollen sie nicht beim Sport einsetzen und können auf Geräuschunterdrückung verzichten. Diese Darbietung im Audio-Segment spiegelt nicht Huaweis sonstige Hardware-Expertise wider. Es hapert an allen Ecken und Enden.

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