Maßnahmenkatalog

Paris will „Marshall-Plan“ gegen Gewalt an Frauen

Großkundgebung gegen Gewalt an Frauen in Paris.
Großkundgebung gegen Gewalt an Frauen in Paris. (c) APA/AFP/ALAIN JOCARD
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Die Regierung will mit einem Maßnahmenkatalog gegen die geschlechtsspezifische Gewalt in Partnerschaften vorgehen. Bereits 138 Frauen sind in diesem Jahr von ihren Männern oder Ex-Partnern getötet worden.

Paris. Wie versprochen, kündigte der französische Premierminister Edouard Philippe am Montagvormittag einen Katalog von gesetzlichen Initiativen zum Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Partnerschaften an. Er fasst dabei die Ergebnisse einer Anfang September gestarteten Aussprache mit Vertreterinnen von Organisationen, diversen Institutionen, Behörden und Experten zusammen.

Die Maßnahmen, die er dabei vorgestellt hat, entsprechen in vielen Punkten den Wünschen und Empfehlungen, die in den Diskussionen am Runden Tisch auch von den Feministinnen zur Prävention der Gewalt gefordert wurden. Diese sind dennoch zum Teil enttäuscht, denn offenbar fehlt in der Ankündigung der Regierung weitgehend die Finanzierung dieses ambitiös klingenden Plans.

An einer Großkundgebung in Paris war am Samstag eine Milliarde Euro für eine Art „Marshall-Plan“ gegen die Gewalt an Frauen gefordert worden. Die bisher vom Premier versprochenen Mittel – die Rede ist immerhin von 361 Millionen im kommenden Jahr – sind weit von dieser Summe entfernt.

Der Regierungschef wurde bei seinem Auftritt vor den Medien von zehn Regierungsmitgliedern, darunter der Staatssekretärin für die Geschlechtergleichheit und den Kampf gegen Diskriminierung, Marlène Schiappa, begleitet. Damit sollte unterstrichen werden, wie sehr die Staatsführung diese Anliegen ernst nehmen wolle. Philippe räumte gleich zu Beginn ein, dass zum Schutz der Frauen zu wenig – und auch dies oft schlecht – gemacht wurde: „Es gibt Mängel im Funktionieren (der staatlichen Behörden), die wir nicht wahrhaben wollten.“ Heute kommt die Regierung jedenfalls nicht darum herum, Ohren und Augen zu öffnen und zu reagieren.

Jedes Jahr werden in Frankreich rund 220.000 Frauen Opfer männlicher Gewalt im familiären Umfeld. Im Vorjahr fanden so 121 Frauen (und 28 Männer) den Tod. In diesem Jahr sind es laut dem „Collectif Féminicides“ bereits 138. Während in Paris noch über den Ernst der Lage debattiert wurde, starben mindestens dreißig Frauen bei oder nach Aggressionen ihrer Partner oder Ex-Männer.

Wie dies angeregt oder gefordert worden war, sollen allfällige Waffen bei gewalttätigen Männern präventiv konfisziert werden, ein bereits verabschiedetes Gesetz ermöglicht es, sie mit einer elektronischen Fußfessel auf Distanz zu ihren gefährdeten Partnerinnen zu halten. Neu kann ihnen zudem nach einer Verurteilung wegen Gewalt das Sorgerecht für Kinder entzogen werden. Die von einem Verband, der Fédération Nationale Solidarité Femmes, eingerichtete Notrufnummer 3919 soll in Zukunft den bedrohten Frauen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Wie Philippe informierte, herrscht dafür Bedarf: „Vor September wurden rund 150 Anrufe pro Tag registriert, heute sind es 600!“

Anzeige im Krankenhaus

Im Vordergrund steht die Prävention, um zu verhindern, dass nach ersten Anzeichen die Gewalt weiter eskaliert. So sollen gewalttätige Männer vermehrt psychologisch betreut werden, um Rückfälle zu vermeiden. In jedem Departement des Landes sollen dazu zwei solche staatlich finanzierte Zentren eingerichtet werden.

Parallel dazu müssen die Kapazitäten der Aufnahme von Gewaltopfern um 1000 zusätzliche Plätze ausgeweitet werden. Neu soll die Möglichkeit kommen, in Krankenhäusern eine Anzeige gegen Angreifer machen zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2019)

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