Migration

Ziehen Seeretter Migranten an?

(c) APA/AFP/MARCOS MORENO
  • Drucken

Im politischen Streit um die Frage, ob Rettungsschiffe den Schlepperbanden im Mittelmeer indirekt helfen, gibt eine neue Studie den Befürwortern einer harten Linie recht.

Brüssel. Wie wirkt sich die Anwesenheit von staatlichen und privaten Seenotrettern auf das Geschäft der Menschenschlepper im Mittelmeer aus? Das ist nicht bloß eine akademische Frage, sondern eines der heißesten politischen Streitthemen der EU. Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die Retter unbeabsichtigt zu Helfershelfern der Schlepperbanden werden, weil sie das Risiko des Ertrinkens verringern (also zum „Pull-Faktor“ werden, der irreguläre Migranten anzieht), würden jene politischen Kräfte in Europa, die Bootsmigranten das Anlanden in EU-Häfen verbieten wollen, ein Argument auf ihrer Seite haben. Der rechtsautoritäre frühere italienische Innenminister und Vizeregierungschef Matteo Salvini, der genau so ein Verbot in seiner Amtszeit von Juni 2018 bis zum heurigen September verfügt hatte, wäre bestätigt.

Mehr seeuntüchtige Boote

Eine neue Studie gibt den Verfechtern dieser harten Linie in der Frage recht, ob Seenotrettung die irreguläre Migration attraktiver macht. „Such- und Rettungsoperation stellen die Schmuggler eindeutig besser, weil sie in der Lage sind, zumindest teilweise die Sicherheitsgewinne der Operationen für sich einzunehmen. Seerettungsoperationen hatten die unbeabsichtigte Folge einer gestiegenen Zahl von Überfahrten und der Verlagerung der Überfahrten von sicheren Booten auf weniger sichere“, resümieren Claudio Deiana (Universität Cagliari), Vikram Maheshri (Universität Houston) und Giovanni Mastrobuoni (Universität Turin) in ihrem Papier mit dem Titel „Irregular Migration and the Unintended Consequences of Search and Rescue Operations in the Central Mediterranean Sea“. Die Forscher bauten ihre Studie, welche die Jahre 2009-2017 erfasst, auf Daten der italienischen Küstenwache, der EU-Grenz- und Küstenwache Frontex sowie von Nichtregierungsorganisationen auf.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ein junger Mann im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos.
Migration

Ost-ägäische Inseln beherbergen über 39.000 Flüchtlinge

Fast 2800 Personen sind binnen einer Woche auf Lesbos, Chios und Samos angekommen. In Italien dürfen mehrere Rettungsschiffe anlegen.
Die konservative Regierung in Athen, seit Juli im Amt, will nun die heillos überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, Chios, Leros und Kos durch geschlossene „Abflugs- und Identifikationszentren“ ersetzen.
Leitartikel

Die neue Flüchtlingswelle und Erdoğans Beitrag

In der Ägäis steigt die Zahl der Migranten. Das hat auch damit zu tun, dass der türkische Präsident an der Schleuse dreht. Er will den Flüchtlingsdeal erneuern. Die EU sollte sich nicht erpressen lassen.
Turkish President Erdogan meets with Libya´s internationally recognised Prime Minister Fayez al-Sarraj in Istanbul
Analyse

Das türkische Libyen-Abenteuer

Präsident Erdoğan plant Militärintervention, um den Vorstoß des Rebellengenerals Haftar auf Tripolis zu stoppen. Ein Clash mit Russland ist programmiert.
Leitartikel

Der zynische Stellvertreterkrieg in Libyen gerät außer Kontrolle

Es braucht dringend neue Verhandlungen, um die Schlacht um Tripolis zu beenden. Doch Erdoğan, Putin, Macron & Co. haben daran wenig Interesse.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.