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Tina Turner ist 80: Eine personifizierte Legende

Tina Turner 1990 in Berlin.
Tina Turner 1990 in Berlin.(c) imago images/BRIGANI-ART (imago stock&people via www.imago)
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Mit eisernem Willen machte sie Weltkarriere, ihren 80. Geburstag feiert sie "fully retired". Was zwischen "Box Top" und "Vor 12 Uhr nicht läuten“ liegt.

Die Löwenmähne ist noch da, aber statt Netzstrümpfen mit High Heels und Minirock war Tina Turner kurz vor ihrem 80. Geburtstag eher hochgeknöpft und in flachen Tretern zu sehen. Die Rocklegende ist schon eine Weile im Ruhestand. Zehn Jahre nach ihrem Bühnenabschied sagt sie: „Ich hatte keinen Bock mehr darauf, zu singen und alle anderen glücklich zu machen". So vernahm man es nach einer seltenen Audienz, die sie im Sommer der „New York Times" gewährte, in ihrer Villa Algonquin am Zürichsee. „Fully retired" - absolut im Ruhestand, so beantwortet ihre Managerin Anfragen. Heute, Dienstag, wird sie 80 Jahre alt.

Als Anna Mae Bullock im ländlichen Tennessee in arme Verhältnisse geboren, wuchs sie größtenteils bei ihren streng gläubigen Großeltern auf. Um aus den bedrückenden Verhältnissen zu kommen, nützte sie jede noch so kleine Möglichkeit. Sie schloss sich einer Cheerleadertruppe an, spielte sogar in einer Basketballmannschaft. Ihr erster Traumberuf war Krankenschwester. Damit war es vorbei, als sie Ike Turner mit seiner Gruppe Kings of Rhythm im Club Manhattan in East St.  Louis sah. Eines Abends bekam sie das Mikrodas Mikro, überzeugte Ike und durfte 1958 sogar als Backgroundsängerin mit ins Studio.

Tina Turner & Ike Turner 1967
Tina Turner & Ike Turner 1967 (c) imago images/Mary Evans (Rights Managed via www.imago-ima)

„Box Top“ war das erste Lied, bei dem ihre Stimme zu hören ist. Ike Turner nahm ihre Stimme provisorisch auf, Annas Stimme wollte er danach löschen. Der Labelboss von Sue Records war allerdings von Annas Interpretation begeistert. Er überredete Ike Turner dazu, sie zum Star seiner Show zu machen. Ike überlegte sich einen Bühnennamen für sie. Es wurde Tina. Mit „Fool in Love“ glückte sofort ein kleinerer Hit. Das auch privat bald geeinte Paar begann eine spektakuläre Show auszutüfteln.

Erotische Fantasien, sensationelle Konzerte

Von 1960 bis 1967 legten sie den Grundstein ihrer Weltkarriere.
Beinah allabendlich traten sie auf. Mit kehliger Stimme sang Tina Turner sowohl von Mühsal wie von sexueller Erlösung. Auf gewisse, aber keineswegs klandestine Weise lebte sie die erotischen Fantasien ihres Publikums schon damals aus. Bald kamen auch mehr und mehr Weiße in die anzüglichen Show. Zu den stimulierenden Klängen von Otis Reddings „I’ve Been Loving You Too Long“ steigerte sich Tina Turner in ein Stakkato obszöner Soundeffekte. So sensationell die Konzerte waren, so flau war anfangs der Plattenverkauf.


1966 klappte der Durchbruch in Europa mit „River Deep, Mountain High“. Die Turners gingen als Vorgruppe mit den Rolling Stones auf Tournee. Erst danach waren sie in der weißen Popwelt Amerikas angekommen. Ab 1970 ging es mit dem Hitreigen los. „Bold Blue Sister“, „Come Together“ und „I Want to Take You Higher“ – alles schlug ein. 1971 glückte mit der rasanten Coverversion von Creedence Clearwater Revivials „Proud Mary“ ein erster Megahit.

1973 folgte mit dem selbst komponierten „Nutbush City Limits“ der allergrößte Hit von Ike & Tina Turner. Hinter der glitzernden Fassade des Erfolgs verbargen sich allerdings größte private Probleme.

Ike Turner schlug seine Frau, hielt sie wie eine Gefangene, während er selbst mit anderen schlief. Anfang Juli 1976 hatte sie genug. Mit einer Kreditkarte floh sie aus der gemeinsamen Suite im Hilton-Hotel in Dallas, Texas, aus – wie sie sagte – „16jähriger Leibeigenschaft.“ Trotz Morddrohungen und eines Brandanschlags auf ihr Haus in Los Angeles hielt sie durch. Die Ehe wurde 1978 geschieden.

Tina erlebte einen sozialen Abstieg. Regressforderungen von Ike wegen der abgebrochenen Tournee führten sie fast in den Ruin. Einige Zeit musste sie von der Wohlfahrt leben. Mit einer halben Million Dollar Schulden war sie ständig von Pfändung bedroht. Der junge australische
Promotor Roger Davies half ihr. Und sie wandte sich dem Buddhismus zu. Im Sommer 1981 gab sie vor prominenten Besuchern wie Robert De Niro, Mick Jagger und Andy Warhol ein aufsehenerregendes Comebackkonzert im New Yorker Club Ritz. Die Rolling Stones nahmen sie mit auf US-Tour.

1984 erschien „Private Dancer“, ihr fünftes Soloalbum, das weltweit über 20 Millionen Stück verkaufte. Tina war zurück, größer als je zuvor. 1985 bekam sie für das Album mit Hits wie „What’s Love Got to Do with It“ und „Let’s Stay Together“ vier Grammys. Zuletzt war Turner, die 180 Millionen Platten verkauft hat, 2009 in der Wiener Stadthalle. Da wurde sie längst als „The World’s Sexiest Granny“ tituliert. Musikalisch thront die Sängerin auf dem Olymp der Rockgeschichte. Turner füllte Säle und Stadien der Welt. Als sie 1988 in Rio de Janeiro vor mehr als 180.000 Zuschauern sang, kam das Riesenpublikum ins Guinness-Buch der Rekorde.

Tina Turner ist nun Schweizerin

Seitdem läuft das Leben in der Villa am Zürichsee ganz nach ihrem Gusto. Sie lebt dort seit Mitte der 90er Jahre, und ist inzwischen auch Schweizerin geworden. Ihr Anwesen liegt hinter einem hohen schmiedeeisernen Tor. "Vor 12 Uhr nicht läuten", steht dort am Tor.“ Turner lebt dort mit ihrem deutschen Mann Erwin Bach. Sie traf den Musikmanager Mitte der 80er Jahre. Er ist 16 Jahre jünger als sie. Die Beziehung hielt, und 2013 heirateten die beiden in Küsnacht. Bach nennt seine Frau "Schatzi", wie er der "New York Times" verriet, manchmal auch "Bärli". 2017 spendete Bach seiner Frau eine Niere. TIna Turner schrieb darüber 2018 in einer neuen Biografie.

Turner zeigt sich manchmal noch, zum Beispiel 2017 bei der Premiere des Musicals über ihre Lebensgeschichte, "Tina - Das Tina Turner Musical". In einer Talkshow im britischen Fernsehen ließ sie sich mit 78 noch einmal zu einem ihrer heißen Hüftschwünge hinreißen, die ihre Auftritte so legendär machten. Und die Löwenmähne? Alles fake, wie sie freimütig einräumt. "Ich trage Perücke, und zwar immer".

Abschiedskonzert in Wien vor rund 20 Jahren.
Abschiedskonzert in Wien vor rund 20 Jahren.APA

(red./sam)

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