Anstoss

Wer die Stimme Hütteldorfs nicht hört

Mit Präsident Martin Bruckner kehren Ruhe und Realismus bei Rapid ein, aber nur Erfolge sichern diesen Einklang.

Rapid hat mit Martin Bruckner einen neuen Präsidenten, der den Weg des alten Präsidiums fortsetzen wird, auf Ruhe in den eigenen Reihen wie Kontinuität schwört. Damit bleibt Hütteldorf die Revolution verwehrt, die sein Kontrahent Roland Schmid an der Spitze des Rekordmeisters versprochen hatte. Mit Investoren wie Michael Tojner, unkontrollierbaren Zwischenrufen seiner Klub-Legenden (Krankl, Dokupil, Pacult etc.) und einem personellen Zickzackkurs, der eine gerade Linie im operativen Geschäft hinter der Seitenlinie nur schwer vorstellbar erscheinen lässt. Trotz aller Bedenken und Visionen: Jeder SCR-Präsident wird letzten Endes nur an Titeln – seit elf Jahren gewann Grün-Weiß absolut gar nichts – oder Errungenschaften (Stichwort: Akademie) gemessen.

Diese Wahl war mehr als nur eine knappe Geschichte, mit 53,35 Prozent der Stimmen für den bisherigen Finanzchef Bruckner, mit 46,65 % für Schmid, 133 Stimmen machten real den Unterschied aus. Den womöglich entscheidenden Ausschlag dazu gab der ergreifende, zu Tränen rührende Auftritt von Klub-Ikone Andy Marek.

Er ist seit 27 Jahren die Stimme von Rapid, war bei jedem Heimspiel dabei. Er baute das Service-Center, ist bei allen Mitgliedern und Fans ungeheuer populär. Marek kündigte auf der Hauptversammlung – noch vor der Präsidentenwahl – mit Februar 2020 seinen Abschied an. Er nannte gesundheitliche Gründe, da wurde es still im Raum. Schmid durfte sofort im Anschluss sein Programm präsentieren – und erwähnte Marek mit keiner Silbe. Bruckner hingegen widmete einen Teil seiner Redezeit für Dankesworte, das kam bei vielen sehr gut an.

Auf Bruckner, 54, warten nun drei intensive Jahre in ehrenamtlicher Position. Es gilt, Ansprüche in Hütteldorf zu erfüllen, den Klub permanent in den Top 3 der Bundesliga und damit im Europacup zu etablieren. Dafür bedarf es aber einer Philosophie, neuer Systeme, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs – und Geldgebern.

Die lodernde Kritik mancher Besserwisser, dass mit Michaela Dorfmeister (Ski) und Monisha Kaltenborn (Formel 1) zwei Frauen ins SCR-Präsidium eingezogen sind, die doch vordergründig mit Fußball nichts zu tun hätten, ist naiv und ohne Vision. Sie sollen nicht kicken, das müssen selbst bei Rapid immer noch die Spieler, sondern Inputs liefern, wenn es sein muss unangenehme Fragen stellen oder Kontakte knüpfen.

Während sein Vorgänger, Michael Krammer, nach der Wahl 2013 noch im Eifer des Gefechts den Einzug in die Top 50 Europas versprochen hatte, vermied Investmentspezialist Bruckner auch diesen Fehler. Womöglich tut es Rapid sehr gut, wenn jetzt ein Hauch Realismus Einkehr hält und alle Luftblasen zerplatzen.

E-Mails an:markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.