Gastkommentar

Totengräber des Wirtschaftsstandorts Österreich: Der ÖGB

OeGB-ZENTRALE AM JOHANN-BOeHM-PLATZ
OeGB-ZENTRALE AM JOHANN-BOeHM-PLATZAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die KV-Erhöhung 2019 war ein Bärendienst am Arbeitnehmer.

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„Now we have the salad“, waren die Worte eines Arbeiters, der zynisch in seinem Englisch die jüngsten Meldungen über Gewinnwarnungen der Voest, Insolvenzen in Deutschland, Sparprogramme bei Daimler und Co. sowie potenzielle Massenkündigungen bei Tata Steel kommentierte. Drah di net um, die Rezession geht um.

Der Jobabbau ist Realität, und die KV-Erhöhung 2019 war ein Bärendienst am Arbeitnehmer. All das wollten Rainer Wimmer und Co. nicht hören, als sie wie jeden Herbst zum ÖGB-Halali der Kollektivvertragserhöhungen bliesen. Abflachung der Konjunktur, Rezession und Krise in der Automobilindustrie wurden verleugnet, und man beeilte sich, einen Lohnabschluss zwischen 2,6 und 4,4 Prozent zu fixieren, den man als weiteren Beweis für die Standortfeindlichkeit der Gewerkschaft und das fehlende Augenmaß der Sozialpartner heranziehen muss.

Die fetten Gewinne der Vorjahre sollten laut ÖGB erneut die Kassen der Arbeitnehmer füllen. Es klingelt jedoch dank der kalten Progression nur auf dem Konto des Finanzamts. Und der Lohnabschluss wurde zu einem Abschuss des Wirtschaftsstandortes Österreich, dessen Totengräber Wimmer und Co. wieder hinter den dicken Polstertüren des ÖGB verschwunden sind – bis zum nächsten Herbst.

Kein Wort zur aktuellen Krise

Dieser Logik folgend, müsste es 2020 einen negativen Lohnabschluss geben, da die Inflation niedriger ist als vor vier Wochen angenommen und Gewinnwarnungen der Industrie bereits zum Alltag gehören. Herr Wimmer empörte sich über meine Aussage, dass jede Lohnerhöhung zu Personalabbau führen muss. Wo ist Herr Wimmer in der aktuellen Krise? Kein Wort, kein Bild, kein Ton dazu von ihm oder dem Kollegen Katzian, weil sie den Menschen keine Lösungen anzubieten haben. Die Rolle des ÖGB wurzelt im letzten Jahrhundert: Im Herbst mit Streikdrohungen KV-Verträge erpressen, danach wieder im gewerkschaftlichen Schlaraffenland verschwinden. In den sozialen Medien lässt sich der ÖGB dafür feiern, dass das Mindestgehalt um 4,5 Prozent auf 2000 Euro angehoben wurde, die Schwächung des Wirtschaftsstandortes wird verschwiegen. Das Ancien Régime hat wieder zugeschlagen.

Konzepte statt Sprechblasen

Die Sozialpartner leben ohne Zukunftsausrichtung: Tausche Lohnerhöhung gegen Arbeitsplatzabbau oder gegen Automatisierung; Inflationen von 2x1,5 Prozent stehen KV-Erhöhungen von 6,3 Prozent gegenüber. Wo ist der ÖGB beim Thema der Ausbildung und der Steigerung der Attraktivität der Lehre und der solidarischen Integration? Wo sind die Antworten und Konzepte zu gesellschaftspolitischen Themen in der Industrie?

Seit der Flüchtlingskrise 2015 wurden viele Mitarbeiter mit diversen Religionen in den Arbeitsprozess integriert. Warum schaffen es die Sozialpartner nicht, ein Arbeitszeitmodell für „Andersgläubige“ zu entwickeln? Moslems haben am Freitag und Samstag ihr Wochenende, also sollen sie da auch frei haben. Wenn sie dann aber am Sonntag arbeiten, dann ist das deren Montag und sie arbeiten am Sonntag ohne Zuschläge, jedoch am Freitag und am Samstag mit Zuschlägen.

Das würde in vielen Branchen Impulse geben, ein Mehr an Beschäftigung, eine Entlastung der Betriebe. Heerscharen an hoch bezahlten Menschen bei den Sozialpartnern könnten Konzepte entwickeln: gelebte Integration statt Sprechblasen! Stattdessen belebt der ÖGB den Klassenkampf der industriellen Revolution von 1839 wieder: Industrie 0,4 statt 4.0.

Stephan Zöchling ist seit 2015 Geschäftsführer der Firmengruppe Remus-Sebring mit Sitz in Bärnbach in der Weststeiermark und Eigentümer der Vorarlberger Metallverarbeiter Erne-Group mit Sitz in Schlins.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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>>> Mehr Freizeit ist die neue Lohnerhöhung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2019)

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