Filmfestival This Human World

Die Eltern im Foltergefängnis

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This Human World, das Menschenrechtsfilmfestival, zeigt in Wien bis zum 10. Dezember Brisantes und Bewegendes.

Eigentlich ist die Wahrheit für Maryam Zaree nur ein Gespräch entfernt. Doch Gespräche, die an tief sitzenden Wunden kratzen, sind leichter gesucht als geführt. Zaree, in Deutschland als Schauspielerin erfolgreich, wurde 1983 im Iran geboren. Genauer gesagt: In dem berüchtigten Foltergefängnis Evin, wo ihre Eltern nach der Islamischen Revolution inhaftiert waren. Was sie dort erdulden mussten, hat die 36-Jährige nie erfahren. Vor allem die Mutter hüllte ihr Trauma in Schweigen – und Zaree selbst traute sich niemals, danach zu fragen.

In ihrem Dokumentarfilm „Born in Evin“, der am Donnerstag das Filmfestival This Human World im Wiener Gartenbaukino eröffnet, will sie über Umwege Klarheit schaffen, sie sucht den Kontakt mit Freunden, Experten, Betroffenen. Und kommt schließlich zur Erkenntnis, dass Verdrängung nicht nur ein Reflex, sondern oft auch Strategie und Schutzmaßnahme ist. Ohne die Vergangenheit auszublenden: „Sie müssen weitermachen, allein schon weil diese Geschichte nicht Ihnen allein gehört“, sagt eine interviewte Soziologin. Und doch: Trotz unterschwelliger Schrecken ist „Born in Evin“ ein ungewohnt anheimelnder Einstieg in eine Veranstaltung, die seit dem Jahr 2008 Menschenrechtskämpfe und Menschenrechtsverletzungen in den Fokus rückt. Er ist es vor allem aufgrund seines Humors, seiner persönlichen Note und dem Abstand zu verhandelten Ereignissen. Dennoch gemahnt der Film daran, dass nationale Traumata oft Grenzen und Generationen übergreifen.

Moskau und Mexico City

Wie viele andere Beiträge des reichhaltigen Programms schlägt er so Brücken zwischen scheinbar entlegenen Themen und der europäischen Gegenwart. Neben diversen Wettbewerben hält das Festival heuer auch motivische Schienen zu Zugehörigkeit, kollektivem Handeln und Gentrifizierung bereit. Außerdem spannende Einzelarbeiten, etwa einen Blick hinter die Kulissen von Russlands bedeutender unabhängiger Zeitung „Nowaja Gaseta“ („Novaya“), deren Mitarbeiter immer wieder bedroht werden: Acht Journalisten wurden in diesem Jahrtausend bereits schwer verletzt oder umgebracht. Ein anderer Film widmet sich privaten Rettungsdiensten in Mexico City („Midnight Family“).

Vom 28. 11. bis 10. 12. findet das Festival in vier Wiener Kinos statt (Gartenbau, Stadtkino im Künstlerhaus, Top Kino, Schikaneder) sowie an weiteren Orten der Stadt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2019)

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