Netflix-Serie „Zeit der Geheimnisse“: Familie zur Weihnachtszeit

Eva, großartig gespielt von Corinna Harfouch, hetzt ihrer Mutter nach, die wieder einmal ausbüchsen will.
Eva, großartig gespielt von Corinna Harfouch, hetzt ihrer Mutter nach, die wieder einmal ausbüchsen will.Nik Konietzny/Netflix
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Eine deutsche Miniserie rund um die Konflikte zwischen vier Generationen von Frauen bezaubert: „Zeit der Geheimnisse“ ist ebenso traurig wie tröstlich.

Immer wieder ist da diese dunkle, bauchige Flasche. Den hochprozentigen Inhalt setzt die schlaue Haushälterin Ljubica ein, um Feierlaune zu schaffen, zu trösten oder zu bestechen. Etwa die starrsinnige Ur-Großmutter, die mit Koffer, Pelzmantel und Ukulele flüchten will oder sich zu Weihnachten kein schönes Kleid anziehen möchte. In der neuen Netflix-Serie „Zeit der Geheimnisse“ sieht man die Flasche über Jahrzehnte hinweg Gläser füllen: Es wird von vier Generationen von Frauen erzählt, viele Rückblicke durchbrechen die Handlung.

Und immer wieder ist Weihnachten. Dass gerade zu dieser Zeit, wenn die Familie zusammenkommt, alte Wunden aufreißen, ist filmisch freilich kein neues Thema. Die Konflikte zwischen den Generationen und Geschwistern sieht man kommen, und doch überrascht das, was unter der Regie von Samira Radsi passiert. Bei allem, was hier traurig ist – und das ist vieles – blitzt in der Miniserie immer wieder ein leichtfüßiger Schabernack auf.

Schon zu Beginn, wenn die Schwestern Vivi (Svenja Jung) und Lara (Leonie Benesch) für die Feiertage nach Hause fahren, in das idyllisch über den norddeutschen Dünen thronende Haus der Familie. Die eine Schwester erteilt ihrem biederen Verlobten noch Verhaltensregeln. „Was soll denn an euch so schlimm sein“, meint er, doch wenig später gibt es schon eine vermeintliche Leiche und die Ereignisse überschlagen sich. Großmutter Eva (Corinna Harfouch) ist schwer krank und möchte, wie man später erfährt, noch ein Geheimnis lüften.

Bei allem, worüber in diesem einsam gelegenen Haus nie wirklich gesprochen wurde, scheinen die Möglichkeiten vielfältig. Dann taucht auch noch Sonja (Christiane Paul) überraschend auf, die Mutter der jungen Frauen. Sie will wieder gutmachen, dass sie sich nie um ihre Töchter gekümmert hat, sie bei der Großmutter ließ. Im Rückblick sieht man Sonja – auch damals zu Weihnachten – auf Besuch kommen, heiter Geschenke verteilen und überlegen, ob sie nicht doch eins der Kinder spontan nach Ibiza entführen soll, wo sie lebt.

Es ist herzzerreißend, wie sehr sich die Mädchen nach ihrer Liebe sehnten, wie sie Strategien finden, um mit der Zurückweisung umzugehen. Was bleibt, ist die Großmutter, die stark erscheint. Dass sie das nicht immer war, sieht man in der vorgelagerten dritten Zeitebene, in der noch Evas Mann im Haus lebt, ein wehleidiger Tyrann. Erst nachdem er weg ist, erkennt man die Schönheit des Hauses. Eva ist unentwegt am Öffnen der Fenster, Luft und Licht prägen die Bilder. Corinna Harfouch spielt die undurchschaubare Eva, lässt sie still mit ihren Verlusten und ihrer forsch-verwegenen Tochter kämpfen. Und sie im Alter auf herrlich komische Art eigensinnig werden, so wie es offenbar in der Familie liegt.

In all den Konflikten zwischen den Frauen liegt eine tief gehende Zärtlichkeit, oder zumindest ein Sehnen danach. Wenn die sehr gegensätzlichen Schwestern sich ihre Partnerwahl (Langweiler versus Mann, der im Auto lebt), ihren Tablettenkonsum, ihren fehlenden Mut oder ihre nicht existente Karriere vorhalten, suchen sie Nähe. „Die Frauen in dieser Familie sind wie die Wellen auf dem Meer. Sie stoßen sich ab und ziehen sich an“, zitiert eine von ihnen irgendwann die Großmutter. Die FAZ findet es „ein wenig beschämend“, was diese Serie zeigt: Dass nämlich Netflix dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen vormache, welches Niveau die kleine Fiktion erreichen könne, wenn man ihr nur genug Freiheit lasse. Für den Zuseher ist wohl eher wichtig, dass es die ebenso traurige wie tröstliche Serie gibt.

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