EU-Kommission

Nun wird es ernst für von der Leyen

„Es lebe Europa“, schloss die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen ihre Rede auf Deutsch, Englisch und Französisch.
„Es lebe Europa“, schloss die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen ihre Rede auf Deutsch, Englisch und Französisch. (c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
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Mit breiter Mehrheit tritt die neue Präsidentin ins Amt. Schon nahen erste Nagelproben ihrer Ankündigungen.

Brüssel. Mit einem Monat Verspätung, dafür aber gestützt von einer größeren Mehrheit im Europaparlament als ihr Vorgänger, kann Ursula von der Leyens neue Europäische Kommission am Sonntag ihre fünfjährige Amtsperiode antreten. Die erste Frau an der Spitze der EU-Behörde erhielt am Mittwoch in Straßburg 461 Stimmen; um 38 mehr, als Jean-Claude Juncker vor fünf Jahren erhalten hatte, und um 27 weniger als die Mehrheit für die zweite Amtszeit von José Manuel Barroso im Jahr 2010.

Versprach Juncker noch eine „politische Kommission“, soll es unter von der Leyen gar eine „geopolitische Kommission“ werden. „Die Welt braucht unsere Führung mehr denn je zuvor“, mahnte sie.

Asylreform im Frühling

Jenseits blumiger Bekenntnisse zur multilateralen Weltordnung und Europas Rolle als globaler Taktgeber war von der Leyen auch in der anschließenden Pressekonferenz wenig zu entlocken. Auf die Frage danach, was sie gegen die chinesischen Konzentrationslager zu tun gedenke, in denen eine Million Uiguren geschunden werden, antwortete sie bloß: „Die EU hat ein einzigartiges Set an Werkzeugen für außenpolitisches Handeln, etwa die Entwicklungshilfe und internationale Investitionen.“

Auf ihren „Green Deal für Europa“, also die Ökowende, welche bis zum Jahr 2050 das Ende aller Treibhausgasemissionen in der EU bringen solle, pochte von der Leyen immer wieder. Noch vor Weihnachten wird sie einen Plan dafür präsentieren. Hier zeigte sich gleich am Mittwoch in Straßburg, wie brüchig die Mehrheit ist, auf die von der Leyen setzt: Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberale konnten sich nicht einigen, ob sie den „Klimanotstand“ oder den „Klimanotfall“ ausrufen wollten.

Die ebenso drängende Frage der Migrationspolitik und Asylreform erwähnte von der Leyen nur en passant – aber mit dem rhetorischen Schmuck der großen Pose: „Unsere Rolle als EU – und wenn nicht wir, wer dann wäre fähig, das zu tun? – ist es, ein umfassendes Konzept für Migration zu entwerfen“, sagte sie zu den Journalisten. „Jeder Mitgliedstaat wird Solidarität zeigen müssen und einen Beitrag leisten. Das sollte uns zum Vorbild für die Welt machen.“ Im Frühling nächsten Jahres werde sie einen Vorschlag zur Reform des EU-Asylwesens machen.

Manches an ihrer Rede war rätselhaft. Wieso zum Beispiel forderte sie den „Zugang zu Kapital für junge Bauern“, wenn die Kommission doch erst heuer im Mai genau für diesen Zweck ein eine Milliarde Euro schweres Programm aufgelegt hat?

Darüber hinaus tauchen bereits mehrere Nagelproben für ihre Bekenntnisse zur Unparteilichkeit auf. Wie zum Beispiel wird sich Frankreichs Kommissar, Thierry Breton, verhalten, wenn die Kommission über die Erlaubnis der Übernahme des Juweliers Tiffany durch den Luxuskonzern LVHM abstimmt, der Bretons engem Freund Bernard Arnault gehört? Spannend wird auch ihr Umgang mit Ungarns Vorschlag, die EU-Sicherheitsregeln für Atomkraftwerke zu lockern – was einzig darauf abzielt, den Ausbau der Anlage in Paks durch den russischen Staatskonzern Rosatom zu erleichtern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2019)

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