Die Bundespartei will Heinz-Christian Strache ausschließen. Die meisten Landeschefs auch. Nur die Wiener zögerten noch.
Wien. Ausgerechnet Peter Sidlo sollte offenbar die FPÖ-Parteikarriere von Heinz-Christian Strache beenden. Der blaue Funktionär, der seit Wochen im Zentrum der Casinos-Affäre steht, ist zufälligerweise der Vorsitzende jenes internen Schiedsgerichts, das am Mittwochnachmittag zusammentrat, um über den Parteiausschluss Straches zu beraten. Sidlo erklärte sich, wie der „Kurier“ berichtete, allerdings für „befangen“. Es sollten doch lieber andere Funktionäre über das parteischädigende Verhalten des Ex-Chefs befinden.
Anlass dafür hatte Strache mit dem Angebot, als Parteichef in Wien zurückzukehren, mit seinem Treffen mit Frank Stronach und mit der ständigen Koketterie, eine eigene Liste zu gründen, genug gegeben. Bis zur endgültigen Entscheidung will sich die FPÖ aber noch etwas Zeit lassen, hieß es Mittwochabend. Möglicherweise soll auch Strache selbst vor dem Gremium aussagen.
Vieles deutet aber auf einen Ausschluss hin. Klubchef Herbert Kickl wollte „das Kapitel Strache in der FPÖ“ schon tags zuvor „endgültig schließen“. Das mitten in der Nacht gepostete Rückkehrangebot sei „ein Witz“. Auch Bundesparteichef Norbert Hofer erklärte eine Rückkehr für unmöglich. Bis zum Parteiausschluss des bisher nur suspendierten Langzeitparteiobmanns werde es, so Hofer, „nicht mehr allzu lang dauern“. Die Entscheidung für den Ausschluss müsse aber in Wien getroffen werden.
In den meisten anderen Bundesländern musste nicht mehr lang überlegt werden. Ein Landesparteichef nach dem anderen forderte am Mittwoch den Parteiausschluss. „Genug ist genug“, sagte Salzburgs FPÖ-Chefin, Marlene Svazek. „Eine endgültige Trennung ist unumgänglich“, hieß es aus Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg. „Je früher ein Trennstrich gezogen wird, desto besser“, ließen die Kärntner wissen. Nur einer stellte sich noch vorsichtig hinter Strache: Burgenlands FPÖ-Chef, Johann Tschürtz. „Ich hätte damit zugewartet, bis die Staatsanwaltschaft und die Gerichtsbarkeit entschieden haben.“
Angst vor Spaltung und Geheimnissen
In Wien gestaltet sich die Entscheidungsfindung etwas komplizierter. Denn die einstige Machtbasis von Strache ist tief gespalten. Freilich mehren sich angesichts der ständigen Querschüsse des einst hoch erfolgreichen Obmanns auch hier die Befürworter eines Ausschlusses. Doch es gibt auch immer noch Gegner eines solchen.
Gemeinderatsmandatar Karl Baron hat sich bisher als einziger namentlich aus der Deckung gewagt. Er möchte über eine Strache-Rückkehr bei einem Parteitag im März abstimmen. Ansonsten laufe die Sache „aus dem Ruder, und dann ist die Spaltung mehr als wahrscheinlich“. Vor einer solchen Parteispaltung haben (nicht nur) die Wiener Blauen Angst. Mittlerweile geht man hier fix davon aus, dass Strache bei einem Ausschluss mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl gegen FPÖ-Chef Dominik Nepp antreten wird.
Immerhin haben einige FPÖ-Politiker, die der „Presse“ namentlich bekannt sind, bereits ein Angebot bekommen. Die eigene Liste, wird gemunkelt, könnte im Februar offiziell starten. Befürchtet wird, dass die Hälfte des Gemeinderatsklubs (darunter vor allem weniger aussichtsreiche Kandidaten) überwechseln könnte. Und noch eine Gefahr sieht man in der blauen Stadtpartei: dass Strache mit seinem Wissen über die verbleibenden Funktionäre „und ihre Leichen im Keller“, wie es ein Funktionär im übertragenen Sinn ausdrückt, auspackt.
Die Rolle des Märtyrers
Dass Strache immer wieder für Aufsehen sorgt, hält so mancher für bewusste Provokation. „Jetzt geht es darum, wer den ersten Schritt macht und wie er sich dann bestmöglich als Opfer inszenieren kann“, sagt Marlene Svazek. Strache wolle in die Rolle des Märtyrers schlüpfen und davon profitieren. Andere konstatieren ihm weniger Kalkül. „Er ist mittlerweile eher ein Fall für den Psychologen als für den Politologen“, sagt ein FPÖler und fügt hinzu, dass es weh tue, so etwas über einen Parteifreund zu sagen.
Apropos: Bei jenem Ex-Parteifreund, Johann Gudenus, der mit Strache im Ibiza-Video zu sehen gewesen ist, sind bei einer Hausdurchsuchung im August Spuren von Kokain auf Visitenkarten gefunden worden. Dies wurde am Mittwoch bekannt. Gudenus weist jede Verantwortung von sich. Solche Rückstände würden sich laut Studien auch auf neun von zehn Geldscheinen finden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2019)