Filmtipp

"Wer fühlt sich jetzt wie der letzte Dreck?": Zum Hintergrund von „Hustlers“

Constantin Film
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Die wahre Geschichte hinter der hochgelobten Film-Überraschung des Jahres. Eine Story über clevere Stripperinnen, die reiche Kerle über den Tisch ziehen.

Die Geschichte hinter „Hustlers“, dem Überraschungserfolg von Lorene Scafarias, ist keine Fiktion. Auch wenn der Film märchenhafte Elemente hat (Empowerment, Gleichberechtigung und Freundschaft noch unter den schwierigsten Bedingungen), beruht er auf dem Leben von Roselyn Keo und Samantha Barbash - in einem Interview mit den „New York Magazin“ schilderte Keo bereits 2015 einiges darüber.

Keo (gespielt von Constance Wu) erzählt in dem Interview, das schließlich zur Basis des Films wird, dass sie als Jugendliche mit halbstarken Krawallmachern unterwegs ist, auch in Schulhofkämpfe gerät. Mit 17 Jahren schmeißt sie die Schule und beginnt in einem New Yorker Diner als Bedienung zu arbeiten. Dort wird sie von einem Manager eines nahen Stripclubs angesprochen. Er gibt ihr 20 Dollar Trinkgeld und meint, sie solle doch in seinem Club vorbeischauen, wenn sie mehr Geld machen möchte.

1000 Dollar pro Nacht

Zu dieser Zeit, Anfang der Nullerjahre, ist es den Stripclubs in und um New York durch gutes Marketing gelungen, sich als „frech-aber-harmlos“ zu positionieren. Sie gelten nicht mehr als zwielichtige, anstößige Etablissements, die man besser inkognito besucht. Zu den Gästen gehören nun sowohl Männer als auch Frauen. Keo verdient laut eigenen Angaben bis zu 1000 Dollar pro Nacht. Einige Jahre später lernt Keo Samantha Barbash (sie wird im Film als „Ramona" von Jennifer Lopez gespielt, die dafür kein Honorar nahm) im legendären Larry Flint’s Hustler Club in Manhattan kennen. Barbash ist mit über 30 Jahren bereits eine Veteranin auf diesem Gebiet. Bei Hustler, wie auch in anderen Stripclubs, arbeiten die Tänzerinnen in Gruppen, weil sie so Männern leichter das Geld aus der Tasche ziehen können.

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Die meisten Männer, die den „Hustler“ besuchten, beschreibt Keo im Interview als reiche und wenig charmante Wall-Street-Haie - gleichzeitig ihre Lieblingsklientel, wie sie anmerkt: „Es ist besonders befriedigend einen Mann zu verführen, der denkt, du bist der letzte Dreck und eigentlich sein Geld und seine Zeit nicht wert. Vorzugsweise soviel Geld, dass er sich am Ende selbst dafür hasst. Ich hätte sie dann gerne gefragt: Wer fühlt sich jetzt wie der letzte Dreck?“

Die Wirtschaftskrise 2008 ändert alles

Keo wird schwanger. Als sie nach ihrer Babypause wieder als Tänzerin arbeiten will, hat sich alles geändert. Nach der Wirtschaftskrise 2008 sind die meisten ehemaligen Wall-Street-Haie arbeitslos und die Tänzerinnen kommen aus Russland oder Kolumbien und bieten nicht mehr nur Tänze zu günstigen Preisen an. „Und sie waren so wunderschön. Da konnte ich nicht mithalten.“, meinte Keo.

In der Zwischenzeit erkennt auch Barbash, dass sich das Blatt gewendet hat: In der Vergangenheit mussten die Tänzerinnen einen Anteil des verdienten Geldes an die Clubs abgeben. Nun suchen die Clubs nach Kunden – und Samantha hat ein gutes Händchen dafür.

Sie verschafft ihnen mit einer Crew aus Kolleginnen ihre Klientel. Die hübschen Frauen treffen reiche Männer in Bars, füllen sie ab, schleppen sie in einen der Clubs, wo sie dann ihre Kreditkarten heiß laufen lassen. Ein bestimmter ausverhandelter Prozentsatz davon wird schließlich vom Club an die Frauen ausbezahlt. Keo ist mit dabei und führt Buch über die Männer, deren Ausgaben und persönliche Details. In einem aktuellen Interview beschreibt Keo die Arbeitsteilung so: „Samatha war der CEO, ich war der CFO."

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Keos großer Vorteil gegenüber den anderen Frauen beim „Fischen“, wie sie es nannten, ist, dass sie nicht aussieht wie eine klassische Stripperin, sondern wie irgendeine junge Frau, die gerade von der Arbeit kommt und ein Glas Wein in einer Bar trinkt. Dass sie währenddessen ihr nächstes Opfer nach teuren Schuhen, teurer Uhr und Ehering ausspäht, ist dort niemandem klar. Ihr Trick funktioniert meistens: „Ich schickte eine Runde Shots an eine Gruppe von Männern, die zusammenstanden und wartete, welcher zur mir herüberkommt. Ein paar Drinks später rief ich: Ja klar! Lass uns in einen Stripclub gehen! Yeah!“

Sie wurden ausgenommen wie Weihnachtsgänse

Nach einiger Zeit mischen Barbash und Keo Drogen in die Drinks ihrer Kunden. Weil sie mit den Männern keinen Sex haben wollen, engagieren sie Prostituierte, die das übernehmen. Das Geschäft läuft hervorragend, die Männer werden ausgenommen wie Weihnachtsgänse.

Irgendwann wird das Team aus Stripperinnen, Prostituierten und Diebinnen aber unzuverlässig. Einige kommen nicht, andere können es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren oder sind einfach high. Hinzu kommt die Gier. Das Ende des Films beschreibt auch ziemlich genau das Ende der wahren Geschichte, weshalb hier nicht mehr dazu verraten wird.

Ihr eigenes Leben auf der großen Leinwand zu sehen, war für Keo übrigens schwierig. Sie musste „Hustlers" drei Mal sehen, um ihn als Film zu begreifen und nicht als ihr Leben. Und obwohl einiges nicht ganz der Wahrheit entspricht, ist sie mit dem Endprodukt einverstanden. Sie durfte auch die Hauptdarstellerinnen kennenlernen:

Barbash hingegen hat sich in einem Interview äußerst kritisch zum Film und Jennifer Lopez`Darstellung geäußert: „Der Film hat keine Handlung, die Leute sehen ihn sich nur an, weil sie J Lo an der Stripperstange sehen wollen.“ Sie selbst wäre zu der Zeit, die der Film porträtiert, keine Stripperin mehr gewesen, also sei ihre Darstellung vollkommen verzerrt. Außerdem wäre sie glücklicher gewesen, hätte Cardi B., die ebenfalls eine Rolle in dem Film hat, sie dargestellt hätte. Samantha Barbash ärgert sich auch darüber, dass sie von Jennifer Lopez niemals kontaktiert wurde.

In Hollywood wird es „Oscar-Buzz“ genannt, wenn die Kritiken für einen Film so überschwenglich sind, dass man den Oscar summen hört. Tatsächlich wurde „Hustlers" von den Kritikern dank Lorene Scafarias tollem Drehbuch und Regie und der großartigen Besetzung durchwegs gelobt. Es ist jedoch Lopez, die von Vanity Fair's Chefkritiker Richard Lawson für "eine der besten Darstellungen ihrer Karriere" gelobt wurde. Was in Hollywood-Kreisen fast schon einer Auszeichnung gleichkommt.

>> The New York Magazine

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