Johnson voran

Großbritannien: Labour droht zweitschlimmstes Wahlergebnis der Nachkriegszeit

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BRITAIN-POLITICS-EU-BREXIT-VOTEAPA/AFP/ISABEL INFANTES
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Umfragen sagen Boris Johnson einen klaren Wahlsieg in Großbritannien voraus. Derzeit haben die Konservativen keine Mehrheit im Parlament.

Der britische Premierminister Boris Johnson steuert einer Umfrage zufolge auf einen deutlichen Sieg bei der Neuwahl am 12. Dezember zu. Die Konservativen könnten auf eine Mehrheit von 68 Sitzen kommen, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die "Times" hervorgeht. Labour droht demnach das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Derzeit haben die Konservativen keine Mehrheit im Parlament. Johnson will mit der Neuwahl die Unterstützung für seine Brexit-Pläne im völlig zerstrittenen Parlament ausbauen. Zu den weiteren heißen Eisen im Wahlkampf gehört der marode staatliche Gesundheitsdienst NHS.

Das wichtigste Wahlversprechen der Konservativen ist, den EU-Austritt bis zum 31. Jänner 2020 mit dem nachverhandelten Brexit-Deal zu vollziehen. Labour will hingegen binnen drei Monaten ein neues Brexit-Abkommen verhandeln. Anschließend sollen die Briten in einem zweiten Referendum die Wahl zwischen einem Brexit mit enger Anbindung an die EU oder einem Verbleib in der Staatengemeinschaft haben.

Bei einer Wahl an diesem Donnerstag könnten die Konservativen der Umfrage zufolge 359 von 650 Sitzen bekommen - 42 mehr als bei der letzten Wahl 2017. Die größte Oppositionspartei Labour von Jeremy Corbyn dagegen würde nur noch 211 Sitze und damit 51 weniger als zuletzt erhalten. Die Tories werden demnach vor allem in den Labour-Hochburgen in den Midlands um Birmingham und in Nordengland dazugewinnen.

Die Schottische Nationalpartei (SNP) von Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon käme der Umfrage zufolge bei der Neuwahl auf 43 Sitze (plus 8), die EU-freundlichen Liberaldemokraten auf 13 (plus 1).

An Corbyn scheiden sich die Geister

Auch in anderen Umfragen lagen die Tories zuletzt deutlich vorn. Das vorausgesagte schlechte Abschneiden von Labour wird vor allem Corbyn selbst angelastet: An dem Alt-Linken scheiden sich die Geister. Viel Kritik brachte ihm ein, dass er erst relativ spät seine Haltung zum Brexit dargelegt hat. Außerdem werden immer wieder Antisemitismusvorwürfe gegen ihn und seine Partei laut. Der 70-Jährige räumte ein, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien.

Allerdings sind die Umfrageergebnisse mit Vorsicht zu genießen. Bei der Unterhauswahl im Juni 2017 hatten die Demoskopen der damaligen konservativen Regierungschefin Theresa May einen klaren Sieg vorhergesagt. Corbyns Labour konnte daraufhin unerwartet hinzugewinnen, während die Tories ihre knappe absolute Mehrheit im Unterhaus einbüßten. Die YouGov-Umfrage war jedoch 2017 recht zuverlässig, indem sie ein Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse vorhersagte.

Großbritannien hat ein Mehrheitswahlrecht: Nur wer in einem der 650 Wahlkreise die Mehrheit holt, bekommt auch den entsprechenden Sitz im Parlament. Prognosen können daher leicht daneben liegen und einige wenige Wahlkreise unter Umständen das Zünglein an der Waage sein.

Entscheidend könnte vor diesem Hintergrund - neben taktischen Stimmabgaben - auch die Mobilisierung der Wähler sein. Die Labour Party hofft vor allem auf Jungwähler, die in dem Urnengang die letzte Chance zur Verhinderung des Brexit erkennen könnten. Höhere Zahlen bei der Wählerregistrierung deuteten auf ein gestiegenes Interesse der jungen Generation hin. Laut am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Daten ließen sich 3,85 Millionen Menschen in die Wählerverzeichnisse eintragen, um 31 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt vor der Wahl 2017. Neben Wählern, die umgezogen sind, müssen sich in Großbritannien auch Erstwähler registrieren lassen, um ihre Stimme abgeben zu können.

(APA/dpa/Reuters)

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